Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbillige Härte im Versorgungsausgleichsabänderungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Nach § 27 VersAusglG findet ausnahmsweise eine Abänderung nicht statt, wenn diese grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Soll zugunsten des Ausgleichsberechtigten wegen grober Unbilligkeit von dem Halbteilungsgrundsatz abgewichen werden, müssen auf dessen Seite ganz besondere Umstände vorliegen, die über seine bloße Bedürftigkeit hinausgehen. Für eine grobe Unbilligkeit der Abänderung des alten Wertausgleichs wäre vielmehr erforderlich, dass ausnahmsweise die Beibehaltung des gesetzlichen Grundsatzes der Halbteilung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, als in unerträglicher Weise ungerechtfertigt und nicht interessengerecht erschiene (vgl. BGH, Beschl. v. 29.3.2006 - XII ZB 2/02; = u.a. NJW 2006, 1967-1969). Hierbei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (so zum alten Recht: BVerfG FamRZ 2003, 1173 f.; Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1587c Rz. 19, 25), die derjenige darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen hat, der sich auf die grobe Unbilligkeit beruft.
Es erscheint nicht treuwidrig, wenn der Abänderungsberechtigte, der das Abänderungsverfahren bereits vor dem 1.9.2009 nach § 10a VAHRG a.F. anhängig gemacht hatte, nach Inkraftreten des FamFG und des VersAusglG nach dem 1.9.2009 durch Antragsänderung das Abänderungsverfahren nunmehr nach dem neuen Verfahrensrecht betreibt.
Normenkette
FamFG §§ 225-226; VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Brühl (Beschluss vom 10.03.2010; Aktenzeichen 32 F 269/08) |
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird wegen Versäumung der Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Brühl vom 10.3.2010 - 32 F 269/08 - wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Gründe
1. Der Antragsgegnerin war gem. § 17 FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, weil sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 63 Abs. 1 FamFG einzuhalten. Das Hindernis zur Einhaltung der Beschwerdefrist bestand darin, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihrer "Prozessarmut" vor Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe verhindert war, Beschwerde einzulegen. Nachdem ihr mit Beschluss vom 16.6.2010 Verfahrenskostenhilfe gewährt worden ist, hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29.6.2010 rechtzeitig die versäumte Prozesshandlung nachgeholt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert nicht daran, dass der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vom 9.4.2010 nicht an das Familiengericht als Beschwerdeeingangsgericht, sondern an das OLG als Beschwerdegericht gerichtet war. Dabei kann vorliegend unentschieden bleiben, ob ein Verfahrenskostenhilfeantrag für eine noch einzulegende Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG an das Familiengericht als Beschwerdeeingangsgericht oder an das OLG als Beschwerdegericht zu richten ist. Zwar kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bewilligt werden, wenn auch vor Einlegung der Beschwerde der entsprechende Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe rechtzeitig gestellt worden ist. Da vorliegend der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe an das OLG gerichtet war und erst am 15.4.2010 eingegangen ist, wäre der Antrag verfristet, wenn auf den Eingang des Antrages beim Familiengericht abzustellen wäre. Denn der angefochtene Beschluss vom 10.3.2010 wurde der Antragsgegnerin zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten am 16.3.2010 zugestellt. Die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde lief damit am 16.4.2010 ab. Zu diesem Zeitpunkt war jedenfalls die Antragsschrift auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht beim AG Brühl eingegangen. Dies geschah erst am 21.4.2010.
Jedenfalls gilt vorliegend nach dem Meistbegünstigungsprinzip, dass die Beschwerde auch beim OLG eingereicht werden konnte. Denn die Beschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung, die teilweise zum alten Verfahrensrecht und teilweise zum neuen ergangen ist. Soweit nämlich der angefochtene Beschluss eine Kostenentscheidung hinsichtlich des erledigten Verfahrens nach § 10a VAHRG beinhaltet, galt für die Kostenentscheidung altes Verfahrensrecht. Daher war in dieser Ausnahmesituation jedenfalls eine Antragstellung sowohl beim Beschwerdegericht wie auch beim Beschwerdeeingangsgericht möglich.
Im Übrigen neigt der Senat dazu, dass entscheidend für die Rechtzeitigkeit eines Antrages auf Verfahrenskos...