Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung eines auf das in Deutschland befindliche bewegliche Vermögen beschränktes Testamentsvollstreckerzeugnisses unter Anwendung südafrikanischen Rechts; Widerruf einer nach deutschem Erbrecht errichteten letztwilligen Verfügung durch eine abweichende letztwillige Verfügung nach ausländischem Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Auf das in Deutschland befindliche bewegliche Vermögen (vorliegend ein Bankguthaben)
eines deutschen Erblassers mit letztem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Südafrika findet südafrikanisches Recht Anwendung, sofern nicht die Fiktion des Art. 83 Abs. 4 EuErbVO greift.
2, Auf die Formwirksamkeit einer in Südafrika errichteten letztwilligen Verfügung findet das Haager Testamentsformübereinkommen vorrangig vor der EuErbVO Anwendung.
3. Ein Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthaltsort in Südafrika kann sein nach deutschem Erbrecht wirksam errichtete letztwillige Verfügung durch ein abweichende letztwillige Verfügung widerrufen, welches den Formvorschriften seines letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes genügt.
4. Richtet sich die Erbfolge nach südafrikanischen Recht sind bei einer gegenständlich auf das in Deutschland befindliche bewegliche Vermögen beschränkten Testamentsvollstreckung die Befugnisse des Testamentsvollstreckers nach südafrikanischen Recht in dem Testamentsvollstreckerzeugnis anzugeben.
Normenkette
BGB § 2368; EuErbVO Art. 4, 10, 20-21, 34, 75, 83; FamFG § 354; Haager Testamentsformübereinkommen Art. 1
Verfahrensgang
AG Bonn (Aktenzeichen 34 VI 136/23) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 30.06.2023 gegen den am 17.04.2023 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Bonn, 34 VI 136/23, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu 1) und 2) zu tragen.
Gründe
I. Am 11.09.2019 ist die deutsche Staatsangehörige H. F. (im Folgenden: Erblasserin) mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Südafrika verstorben. Sie war verwitwet und hatte keine Kinder. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Nichten der Erblasserin. Die Erblasserin errichtete zwei Testamente.
In dem in deutscher Sprache handschriftlich verfassten Testament vom 22.08.2006 setzte sie die Beteiligten zu 1) und 2) zu alleinigen Erben ihres in Deutschland befindlichen Vermögens, einem Kontoguthaben bei der Volksbank Gießen, ein. Eine Testamentsvollstreckung ordnete sie in diesem Testament nicht an (Bl. 2 d. Testamentsakte 34 IV 150/23).
Am 31.08.2011 errichtete sie ein weiteres in englischer Sprache verfasstes Testament, das beim High Court Johannesburg hinterlegt ist. Eine Abschrift dieses Testaments ist zur Akte gereicht worden mit einer mit Apostille versehenen Bescheinigung des Master oft the High Court Johannesburg, wonach das Testament von ihm als gültige testamentarische Verfügung angenommen und in seinem Büro hinterlegt worden ist (Bl. 34, 73 d.A.). Dieses Testament weist auf allen vier Seiten Unterschriften der Erblasserin sowie zweier Zeugen auf (Bl. 36 ff. d.A. d. AG). Inhaltlich erklärte sie in dem Testament, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, unter Ziff. 1, dass sie alle früheren von ihr verfassten Testamente, Kodizile und testamentarischen Verfügungen widerrufe. Unter Ziff. 2 setzte sie den Beteiligten zu 3) als "Executor" ein. Unter Ziff. 3 ordnete sie Vermächtnisse an. Nach diesen Vermächtnissen erklärte sie unter Ziff. 4 Folgendes: "Den Rest meines Nachlasses, ganz gleich welcher Art, sei es bewegliches oder unbewegliches Vermögen, wo immer sich dieses befindet, hinterlasse ich wie folgt:". Im Folgenden werden vier namentlich benannte in Südafrika lebende Personen als Erben benannt.
Zum Nachlass gehören ein Kontoguthaben bei der Volksbank Gießen in Höhe von 35.928,55 EUR sowie weiteres in Südafrika befindliches Vermögen.
Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 08.09.2020 hat der Beteiligte zu 3) die Erteilung eines auf den Nachlass in Deutschland beschränktes Testamentsvollstreckerzeugnis des Inhalts beantragt, dass er Testamentsvollstrecker in Anwendung südafrikanischen Rechts geworden ist (Bl. 26 ff. d.A. d.AG).
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind der Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses entgegengetreten. Sie haben vorgetragen, es sei davon auszugehen, dass die Erblasserin nicht gewollt habe, dass ein südafrikanischer Staatsbürger, der weder der deutschen Sprache mächtig noch die Rechte und Pflichten eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht kenne, sich um Vermögenswerte in Deutschland kümmere. Für den Nachlass, der sich in Deutschland befinde, sei allein das Testament vom 22.08.2006 maßgeblich. Dieses sei durch das nachfolgende Testament, das nur den Nachlass, der sich in Südafrika befinde, regele, nicht widerrufen worden. Das letzte Testament vom 31.08.2011 stehe nicht im Widerspruch zu der früheren letztwilligen Verfügung vom 22.08.2006. Der Widerruf könne sich nach dem Gesamtzusammenhang nur auf vorherige Verfügungen über in Südafrika belegenes Vermögen beziehen. Die Ve...