Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für den vollständigen Entzug der elterlichen Sorge bei Einbeziehung der Kinder in die Beziehungskonflikte der Kindeseltern

 

Leitsatz (amtlich)

Die elterliche Sorge ist den Kindeseltern gem. §§ 1666, 1666a, 1667 BGB nur dann vollständig zu entziehen, wenn ansonsten einer drohenden nachhaltigen Gefahr für das seelische Wohl der beteiligten gemeinsamen Kinder der Kindeseltern nicht anders begegnet werden konnte.

Ausgehend vom Erziehungsprimat der Eltern und von der Beschränkung des Staates auf das Wächteramt kann sich die staatliche Berechtigung, in die Eltern-Kind-Beziehung einzugreifen, nicht an irgendwelchen gesellschaftspolitischen, religiösen oder sonstigen weltanschaulichen Idealen oder bürgerlichen Höchststandards ausrichten, sondern darf sich sowohl beim Kind als auch bei den Eltern nur von Fällen einigermaßen bedenklicher sozialer Deviation herausgefordert fühlen. Nicht jedes Versagen berechtigt den Staat, die Eltern auszuschalten. Andererseits kann die erzieherische Nichteignung bei den Eltern durchaus unterschiedliche Gründe haben. Ein Verschulden der Eltern diesbezüglich ist nicht erforderlich. Die Rechtfertigung gerichtlicher Maßnahmen liegt in der zu besorgenden Kindeswohlgefährdung, die nicht anders ausgeglichen werden kann (Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1666 Rz. 13f f.).

Eine solche Gefährdung kann vorliegen, wenn die Eltern aus objektiver Sicht nicht in der Lage sind, ihre Liebe zu den gemeinsamen Kindern in verantwortungsvolles elterliches Verhalten umzusetzen und in ihrem täglichen Erziehungsverhalten zum Tragen zu bringen und stattdessen durch ihr hohes, anscheinend nicht steuerbares Konfliktpotential sowie ihre bestehende Konfliktbereitschaft untereinander und ihr "Aufsichbezogensein" ihre Kinder in ihre Auseinandersetzungen offen mit einbeziehen, ohne zu erkennen, dass hierunter die gemeinsamen Kinder nicht nur leiden, sondern ganz gravierend in ihrer seelisch-geistigen Entwicklung geschädigt werden.

Steht fest, dass durch die offen ausgetragenen Elternkonflikte eine störungs- und angstfreie Entwicklung der Kindern nicht ermöglicht wurde und auch für die Zukunft nicht erwartet werden kann und bereits zu einer fortschreitenden Entwurzelung der Kinder geführt hat, kann die Entziehung der elterlichen Sorge als letztes Mittel gerechtfertigt sein.

 

Verfahrensgang

AG Eschweiler (Beschluss vom 03.01.2011; Aktenzeichen 13 F 133/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Eschweiler vom 3.1.2011 - 13 F 133/10 -, mit welchem den Kindeseltern unter Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Münster vom 14.12.2004 - 39 F 2168/04 - die elterliche Sorge für die im Beschlussrubrum genannten beteiligten minderjährigen Kinder der Verfahrensbeteiligten zu 1. und 2. entzogen, Vormundschaft angeordnet und zum Vormund das Jugendamt T. bestimmt worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

II. Der Antrag des Antragstellers, ihm zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird mangels Erfolgsaussicht des Beschwerdeverfahrens zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegnerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin X. in P. ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung von Rechtsanwältin X. in P. erfolgt zu den Bedingungen eines im Bezirk des OLG Köln niedergelassenen Rechtsanwalts.

 

Gründe

I. Die gem. §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde des antragstellenden Kindesvaters gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Eschweiler vom 3.1.2011 - 13 F 133/10 -, mit welchem den Kindeseltern (Antragsteller und Antragsgegnerin) unter Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Münster vom 14.12.2004 - 39 F 218/04 - die elterliche Sorge für die verfahrensbeteiligten im Beschlussrubrum genannten minderjährigen gemeinsamen Kinder entzogen, Vormundschaft angeordnet und zum Vormund das Jugendamt T. bestellt worden ist, ist unbegründet. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Familiengericht den Kindeseltern die elterliche Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt T. übertragen. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die überzeugenden umfassenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung des Familiengerichts. Der Beschwerde führende Antragsteller hat seine Beschwerde nicht weiter begründet, so dass der Senat die tragenden Gründe der familiengerichtlichen Entscheidung lediglich nochmals wie folgt zusammenfasst:

Die elterliche Sorge war den Kindeseltern gem. §§ 1666, 1666a, 1667 BGB vollständig zu entziehen, da ansonsten einer drohenden nachhaltigen Gefahr für das seelische Wohl der beteiligten gemeinsamen Kinder der Kindeseltern nicht anders begegnet werden konnte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Entzug des gesamten Sorgerechts nur in Betracht kommt, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Die...

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