Entscheidungsstichwort (Thema)
Unerlaubte Handlung
Leitsatz (amtlich)
Zur Quotelung bei Verstoß gegen § 5 StVO (Sattelzug) versus Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO (PKW) unter Berücksichtigung der höheren Betriebsgefahr (hier: 60 % zu 40 %).
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO §§ 5, 7
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 17.11.2015; Aktenzeichen 37 O 363/14) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 17.11.2015 verkündete Urteil des LG Köln - 37 O 363/14 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger hat Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).
Das LG hat die weiter gehende Klage des Klägers auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 08.05.2014 auf der A 3 zu Recht abgewiesen. Soweit das LG zu einer Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StVG von 40 % zu 60 % zu Lasten der Beklagten gelangt ist, weist diese Abwägung keine Rechtsfehler im Sinne von § 529 Abs. 1 ZPO auf, die einer erneute Feststellung durch das Berufungsgericht gebieten würde.
Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das LG angenommen hat, dass der Kläger den Unabwendbarkeitsnachweis gem. § 17 Abs. 3 StVG nicht geführt hat. Denn der Kläger hatte sich unstreitig über einen längeren Streckenabschnitt von hinten dem vom Beklagten zu 2) gesteuerten Lkw auf der rechten Fahrspur genähert, während der Lkw auf der ersten Überholspur fuhr. Ein besonders umsichtiger Fahrer hätte - auch unabhängig von der jedenfalls nicht widerlegten Behauptung des Beklagten zu 2), er habe längere Zeit nach rechts geblinkt - damit rechnen müssen, dass der Lkw sich wieder auf die rechte Fahrspur einordnet, und erkennen können, dass ein von hinten rechts sich nähernder Pkw insbesondere für einen Lkw-Fahrer nur schwer sichtbar ist. Der Idealfahrer hätte sich entsprechend vorausschauend verhalten und dem Lkw ausreichend Platz zum Einscheren nach rechts gelassen. Damit werden die Voraussetzungen an den Unabwendbarkeitsnachweis auch nicht überspannt. Die besondere Gefahrenlage bestand hier in der Annäherung an den auf der ersten Überholspur fahrenden Lkw von hinten rechts auf einer mehrspurigen Autobahn im Bereich mehrerer Auf- und Ausfahrten.
Das LG hat den Fahrvorgang des Klägers auch zu Recht als "Rechtsüberholen" eingeordnet und ihm einen Verschuldensvorwurf nach § 5 Abs. 1 StVO gemacht. Wie inzwischen unstreitig ist, hat sich der Kläger dem Beklagtenfahrzeug mindestens seit der Auffahrt L-E von hinten genähert und befand sich nicht mehr auf der Beschleunigungsspur, sondern auf der Fahrspur der Autobahn, für die das Verbot des Rechtsüberholens uneingeschränkt gilt. Zum Begriff des "Überholens" gehört weder ein Fahrstreifenwechsel, noch, dass der Überholende seine Geschwindigkeit erhöht. Auch wer mit gleichbleibender Geschwindigkeit - etwa auf dem rechten Fahrstreifen der Autobahn - an langsameren Benutzern des linken vorbeizieht, überholt diese (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. 2016, § 5 Rz. 6 m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Überholabsicht kein Merkmal des Überholens. Es handelt sich vielmehr nach herrschender Meinung, der der Senat folgt, um einen rein tatsächlichen Vorgang, der auch ohne das Bewusstsein, einen anderen zu überholen, durchgeführt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 03.05.1968 - 4 StR 242/67 -, BGHSt 22, 137-144, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.1990, 5 Ss (Owi) 151/90, juris Rz. 8 m.w.N.; Burmann/Heß, a.a.O., § 5 Rz. 9). Danach überholt z.B. auch derjenige, der mit gleichbleibender Geschwindigkeit an einem links Fahrenden vorbeizieht, dessen Fahrgeschwindigkeit z.B. mangels Motorkraft bei einer Steigung zurückgeht, auch wenn es ihm nicht darauf ankommt, vor diesen zu gelangen (Burmann/Heß, a. a. O, § 5 Rz. 9 m.w.N.). Die wenigen Ausnahmen zulässigen Rechtsüberholens sind im Sicherheitsinteresse eng auszulegen (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 5 Rz. 64). Zutreffend hat das LG erkannt - und die Berufung führt dagegen auch nichts an -, dass die Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 2 StVO (Kolonnenverkehr) nicht vorliegen und der Kläger sich auch nicht auf dem Beschleunigungsstreifen befand. Auch wenn er sich ausweislich des von ihm selbst vorgelegten Kam...