Leitsatz (amtlich)

1. Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde des Nebenklägers gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 StPO.

2. Keine Kostentragung des Nebenklägers aus Billigkeitsgründen gemäß § 472 Abs. 1 S. 3 StPO (bzw. S. 2 a.F.) bei berechtigter Wahrnehmung von prozessualen Befugnissen.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 02.06.2016; Aktenzeichen 105 Ks 16/15)

 

Tenor

Die Kostenentscheidung im Urteil der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 02.06.2016 (Az. 105 Ks 16/15) wird dahingehend geändert, dass der Angeklagte sämtliche entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin trägt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I.

Die 5. große Strafkammer des Landgerichts Köln hat die Beschwerdeführerin in dem Strafverfahren gegen den Angeklagten wegen Totschlags zum Nachteil der gemeinsamen Tochter als Nebenklägerin zugelassen und Rechtsanwältin D aus L als Beistand bestellt.

Im ersten Hauptverhandlungstermin hat die Nebenklägerin, die bis Juli 2015 mit dem Angeklagten verheiratet war, von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige Gebrauch gemacht und der Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren widersprochen. An den weiteren Hauptverhandlungsterminen nahm sie nicht persönlich teil, wohl aber die Nebenklagevertreterin. Auf Anweisung der Nebenklägerin hielt die Nebenklagevertreterin nach dem Schluss der Beweisaufnahme keinen Schlussvortrag und stellte auch keinen Antrag.

Mit Urteil vom 02.06.2016 (Az. 105 Ks 16/15) wurde der Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung zum Nachteil der gemeinsamen Tochter zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

Im Rahmen der Kostenentscheidung hat die Strafkammer dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens sowie 25 % der entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin auferlegt; die übrigen 75 % ihrer notwendigen Auslage soll die Nebenklägerin selbst tragen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Nebenklägerin durch ihr Prozessverhalten schuldhaft vermeidbare Auslagen verursacht habe und ihr daher im Wege einer Billigkeitsentscheidung die Kosten der Nebenklage, soweit diese vermeidbar waren, aufzuerlegen waren. Ein hinreichendes Eigen- oder Genugtuungsinteresse sei nicht erkennbar gewesen.

Die Nebenklägerin hat gegen diese Auslagenentscheidung durch Schriftsatz der Nebenklagevertreterin vom 03.06.2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz der Nebenklagevertreterin vom 23.09.2016 ist die sofortige Beschwerde damit begründet worden, dass die Nebenklägerin lediglich die ihr zustehenden prozessualen Rechte wahrgenommen habe und nunmehr hierfür mit der angefochtenen Auslagenentscheidung bestraft werde.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 21.02.2017 (Az. 2 StR 431/16) als unbegründet verworfen und mit Beschluss vom selben Tag die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin bestimmt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Köln hat mit Vorlageverfügung vom 12.04.2017 beantragt, die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts Köln vom 02.06.2016 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist insbesondere statthaft gemäß §§ 464 Abs. 3 S. 1 HS. 1, 311 StPO. Dem steht die Vorschrift des § 464 Abs. 3 S. 1 HS. 2 StPO nicht entgegen. Danach ist eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über Kosten und Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der in § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Dies wird nach herrschender Meinung in Literatur und oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung, auch der des Senats (vgl. SenE vom 22.08.2008, 2 Ws 406/08, NStZ-RR 2009, 126), dahingehend verstanden, dass die Kostenbeschwerde unzulässig ist, wenn sich die Unstatthaftigkeit eines Rechtsmittels bereits aus der Art der Entscheidung ergibt oder ein bestimmter Prozessbeteiligter grundsätzlich nicht mehr rechtsmittelbefugt sein soll; nicht maßgeblich ist hingegen die Frage der konkreten Beschwer im Einzelfall (vgl. Graf in Beck'scher Online-Kommentar StPO, 27. Edition, § 464 Rn. 12; Hilger in Löwe-Rosenberg, Kommentar, StPO, 26. Auflage, § 464 Rn. 52 und 57; Stöckel in Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, 45. Ergänzungslieferung, § 464 Rn. 28).

Für dieses Verständnis spricht nicht nur der Wortlaut der Norm, sondern auch die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf der Neufassung des § 464 Abs. 3 StPO (BT-Drs. 10, 1313, S. 39, [40]). Dort wird ausgeführt: "Durch die Anknüpfung der Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidung an den Begriff der "Statthaftigkeit" bezieht sich die Regelung nicht auf diejenigen Fälle, in denen gegen die Hauptentscheidung zwar an sich ein Rechtsmittel statthaft ist, deren Anfechtbarkeit also nicht ...

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