Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen der Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine bestehende Sorgerechtsregelung ist nur dann abzuändern, wenn das Abänderungsinteresse das Bestandsinteresse deutlich überwiegt.
2. Ist eine Kommunikation zwischen den Eltern über Kindesbelange und Erziehungsfragen ausgeschlossen, kann eine Aufhebung der gemeinsamen Sorge berechtigt sein.
3. Kooperation setzt voraus, dass die Eltern in der Lage sind, persönliche Differenzen zum Wohle des Kindes zurückzustellen.
4. Das Kindeswohl wird insbesondere durch ständige Streitereien der Eltern in Gegenwart der Kinder gefährdet. Deshalb sind die Kontakte der Eltern auf ein Mindestmaß zu beschränken und die gemeinsame Sorge aufzuheben.
Normenkette
BGB §§ 1687, 1696
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 22.05.2006; Aktenzeichen 40 F 372/05) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 22.5.2006 - 40 F 372/05 -, mit welchem die elterliche Sorge über die beiden gemeinsamen Kinder auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen worden ist, wird auf Kosten des Verfahrensbeteiligten zu 2) ebenso zurückgewiesen wie sein Prozesskostenhilfeantrag.
2. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren des Antragsgegners ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K in C bewilligt.
Gründe
1. Der gem. §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 1696 BGB zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das FamG die alleinige elterliche Sorge auf die Kindesmutter, die Antragstellerin, übertragen.
Die Abänderung der Sorgerechtsentscheidung aus dem Scheidungsurteil des AG - FamG - Bonn vom 9.9.2004 - 40 F 281/02 -, welches das elterliche Sorgerecht betreffend die beiden im Beschlusstenor genannten Kinder weiterhin gemeinsam bei beiden Elternteilen belassen und nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht einschließlich des Rechts in Passangelegenheiten auf die Kindesmutter übertragen hat (vgl. Bl. 74 - 81 BA 40 F 281/02 AG Bonn), ist gem. § 1696 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Danach hat das FamG seine Anordnung zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Dies ist vorliegend der Fall.
Liegen nämlich veränderte Umstände - wie hier - vor, so ist zu prüfen, ob deswegen eine Änderung der Entscheidung notwendig ist. Maßstab ist ausschließlich das Kindeswohl. Das Interesse der übrigen Beteiligten ist nur von Bedeutung, sofern es sich auf das Kindeswohl auswirkt. Dabei ist nicht losgelöst von der Erstentscheidung nach der für das Kind besten Lösung zu suchen, sondern ein Vergleich zwischen der bestehenden Regelung und einer möglichen neuen Regelung anzustellen. Die Vorteile der Neuregelung müssen bei fehlendem Einvernehmen der Eltern, die mit der Änderung verbundenen Nachteile unter dem Gesichtspunkt der Erziehungskontinuität deutlich überwiegen. Für die Beurteilung der Alternativen sind jeweils alle üblichen Kindeswohlkriterien heranzuziehen. Beim abschließenden Vergleich der Regelung ist danach zu fragen, ob das Änderungsinteresse das Bestandsinteresse deutlich überwiegt (so Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, Kommentar, 1. Aufl. 2006, § 1696 Rz. 10, m.w.N.).
Bei der gegebenen Sachlage kann ein Änderungsinteresse unter Kindeswohlgesichtspunkten nicht verneint werden. Zu Unrecht rügt der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, es entspreche nicht dem Wohle und dem Willen der Kinder, wenn die Kindesmutter künftig die alleinige Sorge ausübe. So könne der Anhörung der Kinder nicht entnommen werden, dass diese die getroffene Entscheidung des FamG wollten. Die Kindesmutter wolle allein aus Gründen, die außerhalb des Kindeswohles lägen, die Übertragung des Sorgerechts auf sich erlangen. Es sei allein die Antragstellerin, die nicht konstruktiv mit ihm, dem Antragsgegner, zum Wohle der Kinder zusammenarbeiten wolle. Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf einen Elternteil könne nur als letztes Mittel angesehen werden, wenn andere Maßnahmen nicht mehr greifen würden. Insoweit stelle die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil die Ausnahme dar. Es sei die Kindesmutter, die versuche, auf Kosten der Kinder ggü. dem Antragsgegner zu intervenieren.
Diese weit gehend abstrakt gehaltenen Einwendungen rechtfertigen es nicht, die angegriffene Entscheidung abzuändern. Vielmehr hat das FamG die gesamten Umstände des Einzelfalles abgewogen und ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die ursprünglich gerichtlich getroffene Sorgerechtsentscheidung aus dem Scheidungsurteil abzuändern ist.
Zunächst können durchaus veränderte Umstände insoweit bejaht werden, als die Hoffnung aller am Scheidungsverfahren Beteiligten dahin ging, dass nach endgültiger Trennung der Parteien die Spannungen der geschiedenen Eheleute sich vermindern würden und sowohl das Umgangsrecht wie auch das gemeinsame Sorgerecht in der Zukunft konfliktfrei ausgeübt w...