Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Sachverständiger, der lediglich irrtümlich das Beweisthema unzutreffend erfasst und deshalb ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinaus geht, verstößt aus Sicht einer vernünftig abwägenden Partei nicht gegen seine Neutralitätspflicht.

 

Normenkette

ZPO §§ 406, 42

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 14.10.2011; Aktenzeichen 25 O 255/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 7.11.2011 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des LG Köln vom 14.10.2011 - 25 O 255/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Es kann dahinstehen, ob das gegen den Sachverständigen Prof. Dr. T. gerichtete Ablehnungsgesuch des Klägers, wie das LG angenommen hat, bereits unzulässig ist, weil es nicht unverzüglich nach Kenntnis vom Ablehnungsgrund gestellt worden ist.

Jedenfalls hat der Kläger einen Ablehnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn eine Partei von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unparteiisch erstatten. Unerheblich ist, ob der Sachverständige tatsächlich voreingenommen ist, ob er sich für befangen hält oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hat.

Insbesondere kann es, worauf der Kläger im Ausgangspunkt zu Recht hinweist, einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn ein Sachverständiger ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinaus geht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet. Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus Sicht der Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist (OLG Oldenburg MDR 2008, 101; Senatsbeschluss vom 16.7.2010 - 5 W 19/10).

So liegt es hier indessen nicht. Der Umstand, dass sich der Sachverständige in seinem Gutachten zur Frage von Behandlungsfehlern in den Krankenhäusern der Beklagten zu 1), 2) und 3) geäußert hat, beruht - für den Kläger erkennbar - auf einer fehlerhaften und unvollständigen Erfassung der Beweisbeschlüsse vom 9.5.2008 und 23.2.2011 (Bl. 56 ff., 307 ff. d.A.). Während der Beweisbeschluss vom 9.5.2008 die Behandlung durch die Beklagten zu 1) bis 3) betrifft, hat der Beweisbeschluss vom 23.2.2011, durch den der abgelehnte Sachverständige zum Gutachter bestellt worden ist, das Beweisthema auf die Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 2) eingeschränkt. Wie sich aus der Einleitung des Gutachtens ergibt, hat der Sachverständige demgegenüber angenommen, dass das Gutachten zu der Frage Stellung nehmen solle, "ob die Beklagten gegen Grundsätze ärztliche Kunst verstoßen haben" (Bl. 327 f. d.A.). Das heißt, der Sachverständige ist vom ursprünglichen, nicht beschränkten Auftragsumfang ausgegangen, ohne dass es irgendeinen Anhaltspunkt für ein bewusstes und gezieltes Fehlverständnis gibt. Ein Sachverständiger, der lediglich irrtümlich das Beweisthema unzutreffend erfasst, setzt sich jedoch aus Sicht der beteiligten Parteien nicht unter Verletzung seiner Neutralitätspflicht an die Stelle des Gerichts. Der Fehler des medizinischen Sachverständigen ist im Streitfall zudem nicht unverständlich, weil das Anschreiben vom 18.5.2011 (Bl. 323 ff. d.A.) an den Gutachter, das den Parteien zur Kenntnis übersandt worden ist, keinen gesonderten Hinweis auf die Beschränkung des Beweisthemas durch den Beschluss vom 23.2.2011 enthält.

In dem Umstand, dass der abgelehnte neurologische Sachverständige sich in Bezug auf die Beklagten zu 1) und 3) zu einer hals-nasen-ohrenärztlichen Behandlung geäußert hat, liegt keine die Besorgnis der Befangenheit begründende Überschreitung der fachlichen Kompetenz. Aus den Erläuterungen des Weiteren Sachverständigen Prof. Dr. M. in der mündlichen Verhandlung vom 19.1.2011 geht hervor, dass die Behandlung eines Herpes Zoster im Bereich des Gesichts sowohl in das Fachgebiet der HNO-Heilkunde als in das Fachgebiet der Neurologie fällt (Bl. 295R).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

Streitwert: 51.000.- EUR (50 % des Hauptsachestreitwerts).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2885396

BauSV 2014, 64

GesR 2012, 172

KfZ-SV 2012, 34

KfZ-SV 2014, 30

NJW-Spezial 2012, 334

DS 2012, 128

GuG-aktuell 2012, 47

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