Leitsatz (amtlich)

Es kann einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn ein Sachverständiger ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinaus geht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet. Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus Sicht der Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 404, 406, 412

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Beschluss vom 04.08.2014; Aktenzeichen 12 O 320/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Aachen 4.8.2014 - Aktenzeichen: 12 O 320/09 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 2.9.2014, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf bis 65.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 406 Abs. 5 ZPO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das LG das Ablehnungsgesuch als unbegründet erachtet. Die von den Beklagten vorgebrachten Ablehnungsgründe tragen nicht.

Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn eine Partei von ihrem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, Beschl. v. 11.4.2013 - VII ZB 32/12, zitiert nach juris Rz. 10 m.w.N.).

Zwar kann es, worauf die Beklagten im Ausgangspunkt zu Recht verweisen, einen Ablehnungsgrund darstellen, wenn ein Sachverständiger ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinaus geht und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet. Maßgeblich ist insoweit, ob der Sachverständige sich aus Sicht der Partei quasi an die Stelle des Gerichts setzt und seine Neutralitätspflicht verletzt, indem er dem Gericht oder den Parteien den aus seiner Sicht für richtig gehaltenen Weg der Entscheidungsfindung weist (OLG Oldenburg MDR 2008, OLG Köln, Beschl. v. 16.7.2010 - 5 W 19/10, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschl. v. 23.11.2011 - 5 W 40/11 -, juris).

Dies kann hier aber nicht angenommen werden. Das LG hat in dem angegriffenen Beschluss vom 4.8.2014 die von den Beklagten im Schriftsatz vom 10.6.2013 vorgebrachten Ablehnungsgründe zutreffend behandelt und diese zu Recht nicht als durchgreifend erachtet. Denn die im Ablehnungsgesuch unter den Punkten 1-3 und 5-8 gerügten Ausführungen des Sachverständigen P in seinem Gutachten vom 30.4.2014 lassen eine "Überschreitung des Gutachterauftrags", wie von den Beklagten jeweils angeführt, nicht erkennen. Soweit die Beklagten einwenden, der Sachverständige habe bei der Einordnung der abgerechneten Leistung als Ingenieurbauwerk die obergerichtliche Rechtsprechung negiert, lässt dies die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Denn die Rüge betrifft die Fundiertheit des Gutachtens und stellt somit eine inhaltliche Kritik dar, die grundsätzlich nur im Rahmen der § 404, 412 ZPO verfolgt werden kann, nicht aber über § 406 ZPO. Es war Aufgabe des Sachverständigen, die Schlussrechnung der Klägerin mit der darin vorgenommenen Eingruppierung zu überprüfen, was eine Beschäftigung mit der Frage, ob der Hubschrauberlandeplatz als Gebäude oder als Ingenieurbauwerk abzurechnen, umfasst. Er hat seine Entscheidung auch auf S. 8 und 9 des Gutachtens begründet und dabei auch die Abgrenzungskriterien aufgezeigt. Dabei hat er sich - wie auch aus seiner Stellungnahme vom 2.7.2014 hervorgeht - positioniert, ohne zu negieren, dass es überschneidende Merkmale gibt. Dass diese Einordnung nach den Vorschriften der HOAI eine rechtliche Komponente hat, liegt in der Natur der Sache, so dass dem Sachverständigen nicht vorgeworfen werden kann, er mache unzulässige Rechtsausführungen. Der Vorwurf, der Gutachter habe "eine völlig falsche Beschreibung des Fluglotsentraums präsentiert", ist ohne Substanz. Die Bewertung der erbrachten Leistung im Bereich der Leistungsphase 3.3 durch den Sachverständigen (Bl. 16 des Gutachtes sowie Anlage 3) lässt schon eine Abweichung vom Rahmen der Siemon-Tabelle nicht erkennen. Auch im Fall ihres Vorliegens würde es keine Befangenheit indizieren, wenn der Sachverständige nach seiner individuellen Bewertung im Einzelfall zu einer begründeten anderen Bewertung gelangte. Denn darin liegt keine sachfremde Erwägung, die auf eine Voreingenommenheit hindeutete. Welche anderen, von den Beklagten als fehlend gerügten Grundleistungen der Sachverständige nicht berücksichtigt haben soll, zeigen die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge