Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsgebühren im Sorgerechtsverfahren: Keine Terminsgebühr bei Anhörung der Kindeseltern
Leitsatz (redaktionell)
Bei Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt es sich grundsätzlich nicht um Verfahren, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Die in Sorgerechtsverfahren vorgesehene Anhörung der Kindeseltern durch das Gericht ist der Anordnung einer mündlichen Verhandlung nicht gleichzustellen. Die Anhörung dient nicht vorrangig der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Gericht. Allein durch die gerichtliche Anhörung der Kindeseltern entsteht daher für deren Rechtsanwälte keine Terminsgebühr.
Normenkette
RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; FGG § 50a Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Köln (Beschluss vom 27.03.2008; Aktenzeichen 308 F 325/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem AG Köln vom 3.4.2008 wird der Beschluss des AG - FamG - Köln vom 27.3.2008 (308 F 325/07) aufgehoben. Die Erinnerung des Antragsgegnervertreters vom 3.3.2008 gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin vom 19.2.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3, 45 RVG statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin hat in der Sache Erfolg.
Das AG hat in dem angefochtenen Beschluss der Erinnerung des Antragsgegnervertreters gegen die Vergütungsfestsetzung der Rechtspflegerin vom 31.1.2008 zu Unrecht stattgegeben. Der Festsetzung einer Terminsgebühr gemäß Anmerkung Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 RVG-VV wurde für das zugrunde liegende Umfangsverfahren zu Unrecht stattgegeben.
Nach allgemeiner Auffassung handelt es sich bei Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich um keine Verfahren gemäß der genannten Anmerkung zu Nr. 3104 RVG-VV, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (vgl. Gerold/Müller-Raabe, 17. Aufl., Rz. 29 zu Nr. 3104 RVG-VV). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BGH in seinen Entscheidungen vom 24.7.2003 (NJW 2003, 3133) bestätigt durch Beschluss vom 9.3.2006, Rpfleger 2006, 438), und vom 22.2.2007 (FamRZ 2007, 1013). Die in Anmerkung Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 RVG-VV bestimmten Fälle betreffen Verfahren, für die eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben und nicht nur freigestellt ist und in denen nach § 128 Abs. 2 ZPO, 495a ZPO oder 307 ZPO entschieden wird. Im Verfahren nach dem FGG gilt die Fiktion der Anmerkung Abs. 1 Nr. 1, die das schriftliche Verfahren der mündlichen Verhandlung im Prozess gleichstellt, nicht, da sowohl schriftlich als auch mündlich verhandelt werden kann (Mümmler, JurBüro 1990, 689). Der BGH hat in den genannten Entscheidungen von Juli 2003 und März 2006 für sonstige Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausdrücklich den Grundsatz anerkannt, dass dort eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist und ohne deren Durchführung deshalb keine Verhandlungsgebühr (jetzt Terminsgebühr) für einem im Verfahren tätigen Verfahrensbevollmächtigten entsteht. Der BGH hat sich in den erstgenannten Entscheidungen mit der Auslegung von § 44 WEG befasst und diese Sondervorschrift kostenrechtlich dahingehend ausgelegt, dass damit im Grundsatz eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei.
Dies ist nicht vergleichbar mit der Vorschrift des § 50a FGG. Nach § 50a Abs. 1 S. 2 FGG sind im Sorgerechtsverfahren die Eltern eines Kindes vom Gericht in der Regel persönlich, also mündlich, anzuhören. Dies ist nicht der Anordnung einer mündlichen Verhandlung gleich zu stellen. Die Anhörung dient nicht vorrangig der Gewährung von rechtlichem Gehör, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Gericht (vgl. Keidel/Engelhardt, FGG, § 50a FGG Rz. 3). Der Gesetzgeber hat ferner in Anmerkung Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 RVG-VV trotz unmittelbarer Geltung dieser Vorschrift auch für Verfahren nach dem FGG für die Entstehung einer Terminsgebühr ohne mündliche Verhandlung nur darauf abgestellt, ob eine mündliche Verhandlung gesetzlich vorgeschrieben ist - und nicht auch auf die Fälle Bezug genommen, in denen lediglich eine persönliche Anhörung vorgeschrieben ist. Für eine erweiternde Anwendung der Vorschrift besteht demnach keine Veranlassung (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.7.2006, FamRZ 2007, 233).
Nach der Entscheidung des BGH vom 22.2.2007 (FamRZ 2007, 1013) kommt es für die Entstehung einer Terminsgebühr nicht nur darauf an, ob ein Verfahren durch einen schriftlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossen worden ist, sondern insbesondere darauf, ob es sich um ein Verfahren handelt, für das eine mündliche Verhandlung vorgesehen worden ist. Da dies - wie dargelegt - nicht der Fall ist, ist eine Terminsgebühr nicht entstanden.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG).
Fundstellen
AGS 2008, 593 |
OLGR-Mitte 2009, 126 |