Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung. Bestimmtheit des Titels
Leitsatz (amtlich)
Die Verurteilung, den Wert von Grundstücken durch das Gutachten eines Sachverständigen ermitteln zu lassen, ist nicht hinreichend bestimmt und kann nicht Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein, wenn sich nicht aus dem Urteil selbst ergibt, welche konkreten Grundstücke begutachtet werden sollen, sondern insoweit auf einen im Urteil nur abstrakt bezeichneten Umstand wie die Zugehörigkeit zum Nachlass einer bestimmten Person, oder einen künftigen Sachverhalt wie den Inhalt einer erst künftig zu erteilenden Auskunft abgestellt wird.
Normenkette
ZPO § § 704 ff., § 888
Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 29.06.2012; Aktenzeichen 2 O 318/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 9. Juli 2012 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 29. Juni 2012 - 2 O 318/10 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
Die gemäß den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO statthafte, in rechter Form und Frist (§§ 78 Abs. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, der die Einzelrichterin des Landgerichts nicht abgeholfen und über die nach § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheiden hat, ist nicht begründet. Das Landgericht hat den Vollstreckungsantrag der Klägerin vom 18. Mai 2012 im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Denn der Ausspruch unter Ziff. 2 der Entscheidungsformel des Teil-Anerkenntnisurteils des Landgerichts vom 12. November 2010, auf den sich dieser Vollstreckungsantrag gründet, ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und kann deshalb nicht Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein.
Durch den Ausspruch unter Ziff. 2 des Tenors des Urteils vom 12. November 2010 ist die Beklagte verurteilt worden, "den Wert der dem Nachlass zugehörigen und den bei der Aufstellung zu Ziffer voranstehend 1 c) weiteren anzugebenden Grundstücke durch Sachverständigengutachten ermitteln zu lassen", wobei der Begriff des Nachlasses im Sinne dieses Ausspruchs durch den Zusammenhang mit Ziff. 1 der Urteilsformel dahin erläutert worden ist, dass insoweit der Nachlass "des am 10.05.2009 in C verstorbenen Herrn I S" in Rede steht. Damit ergibt sich nicht aus dem Urteil selbst, welche konkreten Grundstücke zu begutachten sein sollen. Dies soll sich vielmehr nach einem in dem Urteil nicht festgestellten Umstand, nämlich nach der Zugehörigkeit des Grundstücks zum Nachlass, bzw. nach einem erst später, nach Erlass des Urteils eintretenden Umstand, nämlich nach dem Inhalt einer erst nach dem Erlass des Urteils noch zu erteilenden Auskunft der Schuldnerin richten. Damit wird der Gegenstand der vorzunehmenden Begutachtung(en) und somit der Inhalt der titulierten Verpflichtung in dem Vollstreckungstitel selbst nicht mit der für eine Vollstreckung aus ihm erforderlichen Bestimmtheit bezeichnet. Unabhängig von der Art der Zwangsvollstreckung muss jeder Vollstreckungstitel die zu erbringende Leistung nicht nur für den Gläubiger und den Schuldner, sondern auch für das Vollstreckungsorgan (und gegebenenfalls das Beschwerdegericht) hinreichend bestimmt bezeichnen. Dies ist nur der Fall, wenn und soweit der Titel aus sich heraus verständlich ist und auch für jeden Dritten erkennen lässt, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann. Somit muss sich aus einem Titel, der eine Handlungsverpflichtung begründet, der Inhalt der Handlung, welche gegebenenfalls erzwungen werden soll, eindeutig ergeben (vgl. BGHZ 122, 16 [17]; BGH NJW 1986, 1440; BGH NJW 2006, 695 [697 f.]; BGH BGHR ZPO § 704 Abs. 1 Bestimmtheit 1; Senat, Beschluss vom 29. August 2008 - 2 W 66/08 -, Rdn. 8, [...]; OLG Bamberg, FamRZ 1994, 1048 f.; OLG Frankfurt/Main, OLG-Report 2004, 297 f.; OLG Hamm, FamRZ 1988, 1307 [1308]; OLG Saarbrücken, OLG-Report 2008, 166 f.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. März 2008 - 8 Ta 39/08 -, [...];Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 33. Aufl. 2012, vor § 704, Rdn. 16; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 704, Rdn. 4). Ein Titel ist deshalb unbestimmt, wenn die zu erbringende Leistung nicht aus ihm selbst, nur aus dem Inhalt anderer Unterlagen - z.B. einer späteren Auskunft - ermittelt werden kann (vgl. OLG Hamm, MDR 2010, 1086; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 95; Thomas/Putzo/Seiler, a.a.O.). Damit genügt der Ausspruch unter Ziff. 2 des Urteils vom 12. November 2010 als Grundlage einer Zwangsvollstreckung nicht, weil aus jenem Urteil nicht ersichtlich ist, welche Grundstücke begutachtet werden sollen.
Die vorliegende Sache macht auch augenfällig, warum es der hinreichend bestimmten Angabe des Gegenstandes der Leistungspflicht in dem Vollstreckungstitel bedarf. Die Parteien streiten (jetzt) darüber, welche Grundstücke die Beklagte begutachten lassen müsste. Diese Frage, nämlich die Frage, was ein Beklagter nach materiellem Recht schuldet, ist indes ineinem Erkenntnisverfahren zu klären und zu entscheiden. Letzteres gilt auch und gerade für d...