Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtvorliegen von Säumnis i.S.v. § 514 Abs. 2 ZPO bei sittenwidriger Schädigung durch den bzw. bei Vorsatz, Leichtfertigkeit oder sittenwidrigem Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Partei?

 

Leitsatz (amtlich)

Gemäß § 514 Abs. 2 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorliegt. Ob die Säumnis i.S.d. § 514 Abs. 2 ZPO unverschuldet ist, richtet sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die maßgeblichen Tatsachen für den Ausschluss des Verschuldens müssen vom Berufungsführer vorgetragen werden.

Eine Partei kann sich nicht darauf berufen, dass das Verschulden des vormaligen Prozessbevollmächtigten so eklatant sei, dass sie sich dieses (ausnahmsweise) nicht mehr gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Der Auffassung, wonach das zuzurechnende Verschulden i.S.d. § 85 Abs. 2 ZPO nicht die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung einer Partei durch den Bevollmächtigten umfasse, ist ebenso wenig zu folgen wie jener, die Partei müsse sich das Handeln ihres Bevollmächtigten nicht zurechnen lassen, wenn diesem Vorsatz, Leichtfertigkeit oder sittenwidriges Verhalten zur Last falle.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 514 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Beschluss vom 12.02.2013; Aktenzeichen 8 O 188/08)

 

Tenor

1. Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des LG Aachen vom 12.2.2013 - 8 O 188/08 - und dem II. Versäumnisurteil vom 20.8.2013 - 8 O 188/08 - wird zurückgewiesen.

2. Der Senat weist - ungeachtet der noch ausstehenden Berufungs-erwiderung - darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das II. Versäumnisurteil des LG Aachen - 8 O 188/08 -gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

3. Der Senat weist zudem darauf hin, dass die unter dem Aktenzeichen 19 W 37/13 anhängige sofortige Beschwerde vom 10.10.2013 gegen den den Antrag des Beklagten 26.9.2013 auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 12.2.2013 zurückweisenden Beschluss des LG Aachen vom 1.10.2013 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.10.2013 - 8 O 188/08 - ebenfalls keine Erfolgsaussichten verspricht.

4. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

1. Mangels Erfolgsaussicht der Berufung ist die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. den §§ 719, 707 ZPO wegen überwiegender Gläubigerinteressen zu versagen. (OLG Bamberg NJW-RR 1989, 576; Senat, Beschl. v. 19.12.2012 - 19 U 188/12; Herget, in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 707 Rz. 9; § 719 Rz. 3, m.w.N.).

Gemäß § 514 Abs. 2 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorliegt. Ob die Säumnis unverschuldet ist, richtet sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Heßler, in Zöller, a.a.O., § 514 Rz. 9). Die maßgeblichen Tatsachen für den Ausschluss des Verschuldens müssen vom Berufungsführer vorgetragen werden (BGH NJW 1991, 42 f.; 1999, 2120 ff.; Heßler, in Zöller, a.a.O.).

Das LG hat, nachdem der Beklagte aufgrund des Teilurteils vom 6.1.2013 Auskunft erteilt und die Kläger mit Schriftsatz vom 22.8.2012 bezifferten Antrag auf Zahlung gestellt hatten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29.1.2013 bestimmt (Bl. 213 GA). Zu diesem Termin ist der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten durch Zustellungsurkunde ordnungsgemäß geladen worden (Bl. 216 GA), indessen nicht erschienen, was er telefonisch hat mitteilen lassen (Bl. 217 GA). Daraufhin ist unter dem 12.2.2013 das dem Zahlungsantrag stattgebende Versäumnisurteil des LG ergangen. Gegen dieses dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 27.2.2013 (Bl. 229 GA) mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte sodann am 13.3.2013 - und damit fristgerecht - Einspruch eingelegt und zugleich angekündigt, die Einspruchsbegründung erfolge umgehend in einem gesonderten Schriftsatz (Bl. 235 GA) - was im Folgenden nicht geschehen ist. Das LG hat unter Hinweis auf die fehlende Einspruchsbegründung und deren Folgen Termin auf den 20.8.2013 bestimmt (Bl. 236 GA), zu dem der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten ordnungsgemäß per Empfangsbekenntnis geladen worden ist (Bl. 239 GA). Zu diesem Termin ist der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten wiederum nicht erschienen, was er ausweislich des Sitzungsprotokolls zuvor dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mitgeteilt hatte (Bl. 246 GA). Tatsachen, warum das Verschulden des vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten, welches sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lasse...

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