Leitsatz (amtlich)

1.Der frühere Verteidiger des verstorbenen Angeklagten ist zur Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung im Einstellungsbeschluß gem. § 206a StPO befugt. Durch den Tod des Angeklagten endet die Rechtsstellung des bestellten Pflichtverteidigers und dessen Befugnis, für den Angeklagten Prozesshandlungen vorzunehmen, nicht.

2.Wird gem. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des verstorbenen Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, reicht hierfür ein durch die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht aus, sofern keine Umstände erkennbar sind, die bei einer neuen Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden.

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

 

Gründe

I. Der frühere Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts A. vom 01.06.2011 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 2 Fällen und wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden. Zugleich hat das Gericht die Einziehung der sichergestellten Waffen nebst Munition angeordnet und den sichergestellten Betrag in Höhe von 18.000 € für verfallen erklärt.

Gegen das Urteil haben sowohl der frühere Angeklagte, dem Rechtsanwältin N. als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden war, als auch die Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel jedoch zurückgenommen hat, Berufung eingelegt. Noch vor der für den 23.02.2012 terminierten Berufungshauptverhandlung ist der Angeklagte am 12.02.2012 verstorben, wie die Verteidigerin in der Hauptverhandlung mitgeteilt hat.

Mit Beschluss vom 15.03.2012 hat das Landgericht A. daraufhin das Verfahren nach § 206 a StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt, gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO aber davon abgesehen, auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

Gegen diesen der Verteidigerin am 20.03.2012 zugestellten Beschluss hat sie mit Schriftsatz vom 20.3.2012, der am 21.03.2012 beim Landgericht eingegangenen ist, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23.4.2012 näher begründet.

II. 1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Es richtet sich allein gegen die Auslagenentscheidung, wie mit der Beschwerdebegründung hinreichend klargestellt ist. Insoweit unterliegt die sofortige Beschwerde nicht der Beschränkung des § 464 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO. Diese gilt nicht, wenn gegen die Hauptsachenentscheidung zwar ein Rechtsmittel statthaft ist, ihre Anfechtung also weder ausdrücklich noch nach dem systematischen Gesamtzusammenhang ausgeschlossen ist, das Rechtsmittel einem bestimmten Prozessbeteiligten aber mangels Beschwer nicht zusteht (SenE 6.12.2002 StraFo 2003, 105; SenE vom 26.2.2009 - 2 Ws 66/09; vgl Franke in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 464 Rdn. 8; Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 464 Rdn. 19 jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die Einstellung des Verfahrens nach § 206 a StPO ist gemäß Absatz 2 der Vorschrift mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Der Angeklagte ist durch die Einstellung jedoch nicht beschwert (vgl. Meyer-Goßner aaO. § 206 a Rdn. 10), so dass ihm in der Hauptsache kein Beschwerderecht zusteht (SenE aaO.).

Rechtsanwältin N. ist als Pflichtverteidigerin auch befugt, für den früheren Angeklagten nach dessen Tod die vom Landgericht getroffene Auslagenentscheidung anzufechten. Die Pflichtverteidigerbestellung wirkt, wenn sie nicht auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkt ist, für das gesamte Verfahren und endet erst mit dessen rechtskräftigem Abschluss (Laufhütte in Karlsruher Kommentar aaO. § 141 Rdn. 10). Im Falle des Todes des Angeklagten während eines anhängigen Strafverfahrens besteht ein Verfahrenshindernis nach § 206 a StPO, das zwar den Erlass einer Sachentscheidung ausschließt, jedoch der Verfahrensfortsetzung, etwa zum Erlass von Nebenentscheidungen nicht entgegensteht. Insoweit bleibt das Verfahren anhängig (BGHSt 45, 108). Erst mit der Rechtskraft der Nebenentscheidungen ist das Verfahren endgültig abgeschlossen. Der Pflichtverteidiger ist deshalb befugt, nach dem Tod des Angeklagten auf eine gesetzmäßige Kosten- und Auslagenentscheidung hinzuwirken und diese erforderlichenfalls durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 286; KG StraFo 2008, 90; Meyer-Goßner aaO. vor § 137 Rdn. 7, § 464 Rdn. 22). Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung (vgl. Hanseatischen OLG Hamburg StraFo 2008, 90, Franke in: Karlsruher Kommentar aaO. § 464 Rdn. 10), mit dem Versterben des Angeklagten ende die Rechtsstellung des bestellten Pflichtverteidigers und dessen Befugnis für den Angeklagten Prozesshandlungen vorzunehmen.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Landgericht hat es zu Recht abgelehnt, die notwendigen Auslagen des Angeklagten d...

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