Leitsatz (amtlich)
Die Einziehung eines Erbscheins kann auch lange Zeit nach seiner Erteilung (hier: 27 Jahre) beantragt werden, selbst wenn früher alle Beteiligten mit seinem Inhalt einverstanden waren und ihr Verhalten darauf abgestellt haben.
Zur Auslegung eines Testaments, in dem der Erblasser die Ehefrau als Alleinerbin bis zu ihrem Lebensende einsetzt und die Nacherben nicht ausdrücklich benennt.
Der für einen Vorerben erteilte Erbschein wird bei Eintritt des Nacherbfalls unrichtig mit der Folge, dass er eingezogen werden muss.
Normenkette
BGB §§ 2100, 2104, 2361, 2363
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 4 T 371/02) |
AG Waldbröl (Aktenzeichen 6 VI 219/75) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 22.10.2002 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Bonn vom 27.8.2002 – 4 T 371/02 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 2.7.2002 wird der Beschluss des AG Waldbröl vom 14.5.2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Beteiligten zu 1) vom 13.6.2001 an das AG Waldbröl zurückverwiesen.
Das AG Waldbröl wird angewiesen, den am 31.10.1975 erteilten Erbschein – 6 VI 219/75 – nach dem am 26.1.1972 verstorbenen F.O. einzuziehen.
Für das Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde werden Gerichtskosten nicht erhoben.
Die in dem Beschwerdeverfahren sowie in dem Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsenen notwendigen Auslagen der Beteiligten haben diese jeweils selbst zu tragen.
Gründe
1. Am 26.1.1972 verstarb der Vater der Beteiligten zu 1) und 2). Der Erblasser hatte unter dem 13.9.1971 ein handschriftliches Testament errichtet, in dem es unter anderem heißt (Bl. 2 f. d.BA. 6 IV 65/75 AG Waldbröl):
„… Und so die Ehefrau mit den Kindern die Arbeit und das Einzelhandelgeschäft mit dem ambulant Handel weiter führen muss. Und so der Ehefrau das Einzelhandelgemischtwaren Geschäft mit dem ambulant Handel und das Haus mit dem Grundstück und auch das andere auf der eine Seite der Straße mit allen meinem Guthaben wenn ich tot bin bis zu Ihrem Lebensende übertrage und im Besitz behalten soll. Und die Eheleute W. O. für die rechte verpflegen dann das Haus mit dem Grundstück nach dem Tode bekommen und das Einzelhandelgemischtwaren Geschäft mit dem ambulanten Handel erlich weiter führen können und alle in Ordnung halten sollen. Und das Grundstück über der Straße kann die J. für den Bau eines Wohnhauses erhalten aber sonst nicht verkauft werden …”
Auf Antrag der Ehefrau des Erblassers vom 29.7.1975 und nach Rücksprache mit den Beteiligten hat das AG Waldbröl am 31.10.1975 folgenden Erbschein erteilt (Bl. 8 d.GA.):
„Der am 5.4.1909 in O. geborene, zuletzt in R.-O. wohnhaft gewesene F.O. ist am 26.1.1972 in Waldbröl verstorben und beerbt worden von Frau E.O. geborene P., R. 21 – O. allein. Es ist Nacherbfolge angeordnet.
Nacherben sind
a) W.O., … R. 21-O.
b) Frau J.I. geborene O., … R. 21, Q.
Der Nacherbfall tritt mit dem Tode der Vorerbin ein.”
Die Ehefrau des Erblassers ist am 3.2.2000 verstorben. Insoweit ist den Beteiligten zu 1) und 2) am 8.12.2000 durch das AG Waldbröl ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt worden (11 VI 407/00).
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.6.2001 hat der Beteiligte zu 1) um eine Überprüfung des Erbscheins und dessen Einziehung mit der Begründung gebeten, dieser gebe nicht den im Testament niedergelegten Willen des Erblassers wieder. Ergänzend hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 2.10.2001 ausgeführt, er sei aufgrund der testamentarischen Verfügung seines Vaters im Wege der Nacherbfolge als alleiniger Erbe eingesetzt worden.
Durch Beschl. v. 14.5.2002 (Bl. 66 d.GA.) hat das AG Waldbröl den Antrag auf Einziehung des am 31.10.1975 erteilten Erbscheins mit der Begründung zurückgewiesen, das Gericht gehe aufgrund der vorgelegten Erklärungen verschiedener Nachbarn davon aus, dass der Erblasser testierfähig gewesen sei. Testamentarisch habe der Erblasser keine Nacherbfolge bestimmt; er habe lediglich Wünsche und Vorstellungen im Hinblick auf die Zukunft seiner Familie niedergelegt. Keinesfalls ergebe die Auslegung, dass der Beteiligte zu 1) allein als Nacherbe eingesetzt worden sei. Der Erblasser habe seine Ehefrau bis zu ihrem Tode als Erbin eingesetzt, ohne zu bestimmen, wer alsdann die Erbschaft erhalten soll. Daher greife die Auslegungsregel des § 2104 BGB ein, wonach diejenigen eingesetzt sind, welche die gesetzlichen Erben des Erblassers sein würden, wenn der Erblasser den Nacherbfall erlebt hätte, demnach die Beteiligten zu 1) und 2), wie bereits in dem Erbschein aus dem Jahre 1975 ausgewiesen sei.
Die hiergegen von dem Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde vom 2.7.2002 hat das LG durch Beschl. v. 27.8.2002 – 4 T 371/02 – (Bl. 81 ff. d.GA.) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 22.10.2002 mit der er die Aufhebung des Beschlusses des LG Bonn und die Einziehung des Erbscheins des AG Waldbröl vom 31.10.1975 beantragt. Zur Begründun...