Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 240/00)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Beklagte wendet sich mit seiner zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde (§§ 341 Abs. 2, 238 Abs. 2 ZPO) ohne Erfolg dagegen, dass das Landgericht seinen Einspruch vom 3. Mai 2000 gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Euskirchen vom 17. Februar 2000 unter Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen hat.

1. Ausweislich des Aktenausdrucks, der im maschinell bearbeiteten Mahnverfahren an die Stelle der Akten tritt (§ 696 Abs. 2 S. 1 ZPO), ist nach dem Inhalt der Postzustellungsurkunden sowohl der Mahnbescheid (am 28.01.2000) als auch der Vollstreckungsbescheid (am 19.02.2000) dem Beklagten durch Niederlegung und Abgabe einer Benachrichtigung in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise (Hausbriefkasten) an der angegebenen Zustellanschrift (K.straße … in … H.) zugestellt worden. Gemäß § 696 Abs. 2 S. 2 ZPO gelten für den Aktenausdruck die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechend. Wie die Postzustellungsurkunden selbst begründet demgemäß die im Aktenausdruck als Inhalt der Postzustellungsurkunden festgehaltene Beurkundung der postalischen Zustellung über die Art und Weise der Benachrichtigung gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen (vgl. OLG Dresden, JurBüro 1999, 154).

2. Zur Führung des nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässigen Gegenbeweises genügt bloße Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 ZPO nicht. Die Unrichtigkeit des beurkundeten Zustellungsvorgangs muss vielmehr über bloße Zweifel an der Richtigkeit der beurkundeten Feststellung hinaus freibeweislich zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Zwar dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den Gegenbeweis nicht überspannt werden. Es bedarf aber jedenfalls einer plausiblen und schlüssigen Darlegung von Umständen, die – wenn sie nicht schon jede Möglichkeit der Richtigkeit des beurkundeten Geschehensablaufs ausschließen – zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der Beurkundung begründen müssen (vgl. BVerfG NJW 1992, 224; OLG Düsseldorf, VRS Bd. 87 (1992), 441 und NJW 2000, 2831; OVG Münster, NVwZ 2000, 346).

3. Das Vorbringen des Beklagten ist nicht dazu angetan, den Anforderungen an den Gegenbeweis, der sich hier gleich auf zwei gleichermaßen beurkundete Zustellungen an den Beklagten (die eine am 28.01.2000 und die andere am 19.02.2000) erstrecken muss, zu genügen. Konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Postbediensteten bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung werden nicht aufgezeigt. Belastend für den Beklagten wirkt sich insbesondere aus, dass sich entgegen der eidesstattlich versicherten Angabe des Beklagten, dass in dem Mehrfamilienhaus zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Zustellungen überhaupt keine Briefkästen vorhanden gewesen seien, herausgestellt hat, dass zwar keine Einzelbriefkästen für die dort wohnenden 5 Mietparteien, wohl aber ein gemeinschaftlicher Hausbriefkasten vorhanden war. Dies ergibt sich sowohl aus der vom Landgericht eingeholten postalischen Bestätigung vom 21.08.2000 als auch aus dem vom Beklagten mit der Beschwerde vorgelegten Schreiben der Hausverwaltung vom 25.09.2000.

4. Soweit es in der anwaltlichen Begründung zum Wiedereinsetzungsantrag heißt, dass der Beklagte unter jener Anschrift „bis Anfang März 1999” gewohnt habe, fehlen – sofern es sich nicht lediglich um ein Schreibversehen bei der Jahreszahl handelt – jedenfalls jegliche Anhaltspunkte, die auf einen Umzug des Beklagten vor Anfang März 2000 hinweisen könnten. Zwar erstreckt sich die Beweiskraft einer Zustellungsurkunde gemäß § 418 ZPO nicht auf die Tatsache, dass der Zustellungsadressat unter der Zustellungsanschrift wohnt. Die Erklärung des Zustellers, dass er den Zustellungsadressaten in seiner Wohnung nicht angetroffen habe, ist jedoch ein beweiskräftiges Indiz dafür, dass der Adressat dort zu jener Zeit gewohnt hat; die indizielle Wirkung dieser Erklärung kann der Zustellungsadressat in der Regel nur durch die plausible und schlüssige Darstellung entkräften, dass er seinen Lebensmittelpunkt zu jenem Zeitpunkt bereits an einem anderen Ort begründet hat (BVerfG NJW 1992, 224; BGH NJW 1992, 1963; BGH NJW-RR 1994, 564). Weder der eidesstattlichen Versicherung des Beklagten noch dem anwaltlichen Vorbringen lassen sich hierfür Anhaltspunkte entnehmen.

5. Die Zustellung gemäß § 182 ZPO war auch nicht etwa deswegen unwirksam, weil die schriftliche Mitteilung über die Niederlegung in den gemeinschaftlichen Briefkasten der Hausgemeinschaft eingelegt worden ist. Für die Benachrichtigung des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise gemäß § 182 ZPO ist eine konkrete Betrachtung maßgeblich, d.h. es kommt auf die vom Postzusteller beim Zustellungsadressaten praktizierte und von diesem jedenfalls hingenommene Übung an; was ...

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