Verfahrensgang
AG Köln (Beschluss vom 17.04.2012; Aktenzeichen 322 F 70/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Kindes wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Köln vom 17.4.2012 - 322 F 70/12 -aufgehoben und das Verfahren an das Familiengericht Köln zurückverwiesen.
Dem Kind B. C. wird mit Wirkung ab 28.4.2012 für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. in ... ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des Kindes werden dem Jugendamt der Stadt Köln auferlegt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 58 ff., 151 Nr. 4 FamFG zulässig und führt gem. § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Zurückverweisung an das Familiengericht Köln.
Die sofortige Beschwerde wendet sich gegen die Genehmigung zur Einholung eines Altersgutachtens und somit nicht gegen eine Endentscheidung i.S.d. § 58 FamFG. Das rechtfertigt indes noch nicht den Schluss, dass die Beschwerde des Betroffenen auch im vorliegenden Fall unzulässig wäre.
Es ist zwar grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob und inwieweit Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen statthaft sein sollen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet den Schutz durch den Richter, aber nicht vor dem Richter (BVerfGE 87, 41, 67); deshalb begründet die Verfassung grundsätzlich keinen Anspruch auf Überprüfung jeder richterlichen Entscheidung durch eine höhere Instanz. Zweifelhaft ist indes, ob dies auch den generellen Ausschluss eines - an sich gegebenen - Rechtsmittels in Fällen rechtfertigt, in denen in einen höchstpersönlichen und den Betroffenen existentiell berührenden und grundrechtlich geschützten Bereich eingegriffen wird und eine auf Fälle der Gefahrenabwehr begrenzte Unanfechtbarkeit ebenso ausreichend wie sachgerecht wäre (BGH FamRZ 2007, 3575 ff.).
Ein Rechtsmittel muss jedenfalls in den Fällen einer Zwischenentscheidung gegeben sein, in denen sich eine richterliche Maßnahme, die in existentieller Weise in höchstpersönliche Rechte des Betroffenen eingreift, als objektiv willkürlich darstellt. Das ist allerdings nicht schon bei jeder zweifelsfrei fehlerhaften Rechtsanwendung der Fall. Hinzukommen muss vielmehr, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung des Schutzzweckes von Art. 3 Abs. 1 und 103 Abs. 1 GG nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BVerfG NJW 1994, 2279; BGH Beschl. v. 13.4.2005 - IV ZR 62/04, NJW-RR 2005, 1387).
Der BGH hat im Falle einer angeordneten psychiatrischen Untersuchung diese Voraussetzung grundsätzlich dann als gegeben angesehen, wenn ein Vormundschaftsgericht diese Untersuchung des Betroffenen anordnet, ohne diesen vor der Entscheidung persönlich gehört oder sonstige Feststellungen, die die Annahme einer Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen rechtfertigen könnten, getroffen zu haben. In einem solchen krassen Ausnahmefall ist es dem Betroffenen nicht zuzumuten, sich zunächst einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, die mit deren Anordnung und Durchführung möglicherweise einhergehenden gravierenden Auswirkungen in seinem sozialen Umfeld hinzunehmen und mit einer rechtlichen Klärung der Notwendigkeit einer solchen Begutachtung bis zur endgültigen Entscheidung des Vormundschaftsgerichts über die Betreuerbestellung zuzuwarten (BGH, a.a.O.).
Vergleichbar liegt der Fall hier.
Zunächst muss festgestellt werden, dass bislang keine Anhaltspunkte aktenkundig sind, die berechtigte Zweifel an der eigenen Altersangabe des Kindes, welches als Geburtsdatum den 2.12.1994 angibt, rechtfertigen. Allein der Umstand, dass die Annahme der Minderjährigkeit grundsätzlich für das Kind vorteilhaft wäre, rechtfertigt solche Zweifel im Einzelfall noch nicht.
Auch das Jugendamt hat weder in seiner Mitteilung nach § 42 SGB VIII noch in seinem Schriftsatz vom 4.4.2012 Bedenken hinsichtlich der eigenen Altersangabe des Kindes geäußert. Mit Schriftsatz vom 22.6.2012 hat das Jugendamt nunmehr sogar ausdrücklich vorgetragen, dass die dort im Vorfeld des Verfahrens vorgenommene Alterseinschätzung keine Zweifel an der Minderjährigkeit des Kindes ergaben. Erst auf den entsprechenden Hinweis des Familiengerichts durch Verfügung vom 30.3.2012 hat das Jugendamt telefonisch eine Genehmigung der röntgenologischen Untersuchung des Betroffenen nachgesucht.
Das Familiengericht hat bislang das betroffene Kind auch nicht persönlich angehört und sich keinen eigenen Eindruck über das Alter desselben verschafft, obwohl eine solche Erkenntnismöglichkeit nicht von vorneherein als untauglich angesehen werden kann. Auch hat das Familiengericht vor Genehmigung der belastenden Maßnahme nicht alle weiteren zur Verfügung weiteren Möglichkeiten minderen Eingriffs erschöpft. Zunächst dürfte nach § 26 FamFG eine Auskunft bei der zuständigen Vertretung des Heimatlandes zu veranlassen sein, was in Anbetracht der Angaben des Kindes ebenfalls nicht von vorneherein aussichtlos erscheint.
Sollte danach noch die Notwendigkei...