Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 620b Abs. 2 ZPO mehr als 4 Jahre nach Erlass einer einstweiligen Anordnung
Leitsatz (redaktionell)
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach den §§ 644 S. 2, 620b Abs. 2 ZPO ist nicht fristgebunden und kann daher nicht als rechtsmißbräuchlich zurückgewiesen werden, wenn die einstweilige Anordnung bereits einige Jahre zuvor erlassen wurde, die Hauptsache noch anhängig ist und seit längerer Zeit nicht mehr betrieben wird.
Gegen die Ablehnung des Antrags auf mündliche Verhandlung ist die sofortige Beschwerde gegeben.
Normenkette
ZPO §§ 567, 569, 620b Abs. 2, §§ 620c, 644
Verfahrensgang
AG Bergisch Gladbach (Beschluss vom 30.03.2006; Aktenzeichen 28 F 205/01) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Bergisch - Gladbach vom 30.3.2006 (28 F 205/01) wird dieser aufgehoben und das AG angewiesen, nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses eine mündliche Verhandlung zu versagen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I. Am 17.9.2001 hat das AG eine einstweilige Anordnung wegen Kindes- und Trennungsunterhalts ohne mündliche Verhandlung erlassen.
Unter dem 28.11.2005 hat der Antragsgegner beantragt, aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu beschließen.
Da das Hauptverfahren seit Oktober 2001 nicht mehr betrieben werde, hat das AG durch Schreiben vom 28.5.2005 darauf hingewiesen, dass die Fortführung des EA-Verfahrens als rechtsmissbräuchlich angesehen werde.
Unter dem 26.1.2006 hat der Antragsgegner für den Fall, dass seinem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben werde, Untätigkeitsbeschwerde eingelegt.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 30.3.2006 hat das Amtgericht den Antrag des Antragsgegners vom 28.11.2005 als unzulässig zurückgewiesen.
Der dagegen gerichteten Beschwerde - die am 11.4.2006 eingegangen ist - hat es nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Entgegen §§ 644, 620c S. 2 ZPO ist sofortige Beschwerde nicht ausgeschlossen, was die Verweigerung einer mündlichen Verhandlung durch das Gericht angeht (OLG Koblenz v. 30.11.1992 - 11 WF 1152/92, FamRZ 1993, 1100; Thomas/Hüßtege, ZPO. 27. Aufl. (2005), § 620b Rz. 10).
Eines Rückgriffs auf die sog. "greifbare Gesetzeswidrigkeit" oder die Untätigkeitsbeschwerde bedarf es nicht.
Als Ersatz für die Unanfechtbarkeit der einstweiligen Anordnung nach §§ 644, 620c ZPO hat der Gesetzgeber den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 620b II ZPO eingerichtet. Dieser Antrag ist unabhängig davon, wie alt die Einstweilige Anordnung ist, auch wenn sie, wie im Streitfall, schon gut 4 Jahre alt ist. Voraussetzung ist nur, dass sie ohne mündliche Verhandlung ergangen ist und dass die einstweilige Anordnung noch in Kraft ist.
Zwar wäre bei einer sofortigen Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung selbst der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauch zu prüfen, weil angesichts der grundsätzlichen Befristung der Beschwerde selbst bei einer nicht zugestellten Beschwerde nach so langer Zeit das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde verwirkt sein kann (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 569 Rz. 4, 567 Rz. 10).
Bei dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 620b Abs. 2 ZPO handelt es sich aber um einen Antrag, für den das Gesetz keine Frist oder sonstige zeitliche Begrenzung kennt (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 620b Rz. 15: "an eine Frist ist der Antrag nicht gebunden"), Voraussetzung ist nur, dass die Hauptsache noch anhängig ist und die Einstweilige Anordnung noch in Kraft ist. Beides ist im Streitfall so, wenn auch die Hauptsache seit langem nicht mehr betrieben wird.
Beschwerdewert: 500 EUR.
Fundstellen
Haufe-Index 1566724 |
FamRZ 2006, 1402 |
NJW-RR 2006, 1437 |
FamRB 2007, 12 |
NJW-Spezial 2006, 490 |
OLGR-Mitte 2006, 846 |