Verfahrensgang
AG Gummersbach (Entscheidung vom 30.08.2005) |
Tenor
1.
Dem Betroffenen wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gewährt.
2.
Der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 30. August 2005 ist damit gegenstandslos.
3.
Der Betroffene wird darauf hingewiesen, dass die Frist zur formell ordnungsgemäßen Begründung seines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Zustellung des vorliegenden Beschlusses beginnt.
4.
Die Sache wird an das Amtsgericht Gummersbach zur Entgegennahme einer eventuellen Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgegeben.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Gummersbach (15 OWi 31/05) hat den Betroffenen durch Urteil vom 27. Mai 2005 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur einem Bußgeld von 15,00 EUR verurteilt. Die Rechtsmittelbelehrung ist dem Verurteilten in schriftlicher Form ausgehändigt worden.
Im Anschluss an die Urteilsverkündung erschien der Betroffene auf der Geschäftsstelle der Abteilung 15 OWi des Amtsgerichts Gummersbach. Dort nahm der Justizfachangestellte T einen Antrag auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde auf, der zugleich auch schon begründet worden und von dem Betroffenen selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben worden ist.
Mit Beschluss vom 30. August 2005 hat das Amtsgericht den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 346 Abs. 1 StPO i. V. m. § 80 Abs. 4 OWiG mit der Begründung als unzulässig verworfen, dass der Betroffene die Beschwerdeanträge und deren Begründung nicht fristgerecht angebracht habe.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit Schreiben vom 2. September 2005, mit dem er sinngemäß geltend macht, der Direktor des Amtsgerichts als der in der Sache entscheidende Tatrichter selbst habe ihn nach der Verhandlung anlässlich der Antragstellung in dem betreffenden Gebäude des Amtsgerichts gesehen.
II.
Die Eingabe vom 2. September 2005 ist gemäß § 300 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG als Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nach § 346 Abs. 2 StPO zu verstehen. Dieser hat insoweit (vorläufigen) Erfolg, als dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Anbringung einer nach § 345 Abs. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG formgerechten Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu bewilligen ist.
1.
Der angefochtene Verwerfungsbeschluss vom 30. August 2005 ist zwar für sich betrachtet insoweit zu Recht ergangen, als er den Regelungsbereich des § 346 Abs. 1 StPO betrifft. Wenngleich entgegen der Beschlussbegründung ("nicht fristgerecht") ein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Begründung sehr wohl schon am 27. Mai 2005 angebracht worden (und für die Rechtsmitteleinlegung auch die Schriftform des § 341 StPO durch die Unterschrift des Betroffenen unter das Protokoll des Geschäftsstellenbeamten gewahrt) worden war, so war die Rechtsmittelbegründung doch nicht in der durch § 345 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Form erfolgt.
Für die Aufnahme der Antragsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist gemäß §§ 345 Abs. 2 StPO, 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 24 Abs. 1 Nr. 1 RPflG der Rechtspfleger zuständig; die Aufnahme der Antragsbegründung durch einen Justizangestellten oder einen Beamten, der Geschäftsstellenaufgaben wahrnimmt, macht die Revisionsbegründung unwirksam (BGH NJW 52, 1386; BayObLG NStZ 93, 193, OLG Düsseldorf VRS 86, 310; OLG Schleswig SchlHA 02, 172; Meyer-Goßner , StPO, 48. Aufl., § 345 Rdn. 19).
2.
Jedoch ist dem Betroffenen wegen eines Verschuldens im Verantwortungsbereich der Justiz und nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens (vgl. allgemein Meyer-Goßner, Einleitung Rdn. 16 und 156 und speziell im Zusammenhang mit einer Antragsbegründung nach § 80 OWiG: BayObLG JR 03, 79) von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Damit wird der Verwerfungsbeschluss vom 30. August 2005 gegenstandslos (vgl. insoweit SenE vom 18.11.2003, Ss 475/03).
a)
Die Rechtsfolgen für gleiche oder ähnlich gelagerte Fälle werden in der Rechtsprechung bislang nicht einheitlich gehandhabt.
Das Bayerische Oberlandesgericht (NStZ 93, 193) und das OLG Schleswig (SchlHA 02, 172; vgl. auch schon SchlHA 84, 109) haben Anträge bzw. Rechtsmittel, die von Justizangestellten aufgenommen worden waren ebenso wie das hier entscheidende Amtsgericht als unzulässig verworfen. Der Bundesgerichtshof (NJW 52, 1386) hat zwar die Entgegennahme einer Revisionsbegründung durch einen Justizangestellten als unwirksam erachtet, gerade deswegen aber dem Angeklagten auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Ohne Antrag, sondern schon von Amts wegen hat das OLG Düsseldorf (VRS 86, 310) in einem gleichgelagerten Fall die Bewilligung von Wiedereinsetzung in vorigen Stand für geboten erachtet. Auch das OLG Koblenz (VRS 75, 57,58) hat in einem jedenfalls insoweit vergleichbaren Fall, als die Rechtsmit...