Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten bei Vergütungsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Eine Partei, die mit der Klage neben dem Hauptantrag ausdrücklich eine nicht anrechenbare "Geschäftsgebühr" als Schadensersatzanspruch geltend gemacht und auch so begründet hat, kann sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht (mehr) darauf berufen, sie habe mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung getroffen, so dass eine Anrechnung gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV-RVG nicht in Betracht komme, weil diese Anrechnungsbestimmung nach ihrem Wortlaut nur den Anfall einer Geschäftsgebühr gemäß der gesetzlichen Regelung in Nr. 2300 VV-RVG erfasse und damit auf eine vorgerichtliche Tätigkeit mit Vereinbarung eines Pauschalhonorars nicht anwendbar sei, wenn sich die Parteien im Prozess vergleichsweise geeinigt und im Vergleich auch eine Regelung über die vorprozessualen Anwaltskosten getroffen haben.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104; RVG § 15a Abs. 2; RVG-VV Nr. 2300; RVG-VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 16.07.2013; Aktenzeichen 86 O 41/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 16.7.2013 - 86 O 41/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beschwerdeführerin zur Last.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.267,44 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin war aufgrund eines Vertrages vom 5.10.2012 als Subunternehmerin für die Beklagte als Berater bei einem Projekt für C tätig. Dieser Vertrag wurde gemäß Vereinbarung von Mitte Januar 2013 verlängert. Die Klägerin hat im vorliegenden Prozess die vertragsgemäße Vergütung für die Monate Januar bis März 2013 und verschieden Feststellungsanträge geltend gemacht, wonach die Kündigungen der Beklagten vom 19. und 21.2.2013 unwirksam seien und die Klägerin nicht eine Vertragsstrafe von 75.000 EUR verwirkt habe. Weiterhin hat die Klägerin folgenden Antrag angekündigt:
"5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die nicht anrechenbare Geschäftsgebühr i.H.v. EUR 1.960,40 nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer zu erstatten, mithin EUR 2.356,68, nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.3.2013. Deren teilweise Anrechnung auf die Kosten dieses Rechtsstreits ist dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten. Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von dieser Forderung der (auch) vorgerichtlichen Vertreter der Klägerin, der KANZLEI DR. F,... I, gegen die Klägerin freizustellen."
Die Höhe dieses Nebenanspruchs ergab sich nach der Begründung der Klägerin in der Klageschrift (16 GA) als 1,3-"Geschäftsgebühr" aus einem Streitwert von 129.240 EUR. Dazu wurde auf ein vorgerichtliches Rechtsanwaltsschreiben vom 22.2.2013 (Anlage K 9 = 57 f./Anlagenband) Bezug genommen.
In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu - weiteren - Vergleichsverhandlungen. Die Klägerin unterbreitete der Beklagten mit einem außergerichtlichen Schriftsatz vom 24.5.2013 ein Vergleichsangebot, welches u.a. "für die Abgeltung der vorprozessualen Anwaltskosten der Klägerin die Zahlung eines "pauschalen" Betrags von EUR 3.000 (inkl. Mwst) vorsah (48 GA). Anfang Juni 2013 teilte die Klägerin mit, dass sich die Parteien geeinigt hätten, und legte dazu ein Schreiben der Rechtsanwälte der Gegenseite vor, in dem das Vergleichsangebot etwas modifiziert wurde. Zu den Kosten heißt es darin (69 GA):
"5. Zur Abgeltung der vorprozessualen Anwaltskosten der Klägerin zahlt die Beklagte an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 2.521,01 EUR zzgl. 478,99 EUR Umsatzsteuer = insgesamt 3.000 EUR.
Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4."
Die Beklagte bestätigte diese Einigung schriftlich, so dass es unter dem 5.6.2013 zur Feststellung eines entsprechenden Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO durch das LG kam (49 GA neue Zählung). Das LG setzte den Streitwert auf 129.240 EUR bis zum 16.4.2013 und 143.567,60 EUR ab dem 16.4.2013 fest.
Die Beklagte meldete zur Kostenausgleichung Rechtsanwaltsgebühren (1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV, 1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV, 1,0 Einigungsgebühr Nr. 1003 VV und Auslagenpauschale Nr. 7002 VV) nach dem höheren Streitwert (143.567,60 EUR) i.H.v. insgesamt 5.567,50 EUR an (56 GA), die Klägerin in gleicher Höhe nebst Gerichtskosten von 1.156 EUR (62 GA).
Der Rechtspfleger setzte nach entsprechendem Hinweis im Hinblick auf § 15a Abs. 2 RVG in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.7.2013 (66 - 67 GA) bei der Klägerin wegen deren titulierter "Geschäftsgebühr" i.H.v. 2.521,01 EUR einen Betrag von 1.030,25 EUR, also in Höhe einer 0,65-Geschäftsgebühr ab, so dass sich bei den außergerichtlichen Kosten ein Erstattungsanspruch der Klägerin von 2.011,06 EUR und bei den bere...