Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerecht
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist zweifelhaft, ob ein Vergleich der Eltern überhaupt eine verbindliche Regelung zum Sorgerecht i.S.d. § 1696 Abs. 1 BGB enthalten kann. Eine Übertragung des Sorgerechts - hier des Aufenthaltsbestimmungsrechts - im Rechtssinne kann durch eine Vereinbarung der Eltern nicht erfolgen, da die Eltern über die elterliche Sorge nicht disponieren können. Vielmehr bedarf es hierfür einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 1671 Abs. 2 BGB. Selbst eine familiengerichtliche Billigung von Vereinbarungen der Eltern reicht nicht aus, um in den gesetzlichen Sorgestatus einzugreifen (Anschluss an KG, Beschl. v. 5.4.2012 - 17 UF 50/12).
2. Eine Anwendung des Abänderungsmaßstabs des § 1696 Abs. 1 BGB auf einen im einstweiligen Anordnungsverfahren geschlossenen Vergleich der Eltern scheidet jedenfalls aus, wenn es sich um eine ausdrücklich vorläufige Regelung zum Aufenthalt der Kinder bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens handelt.
3. Der strenge Abänderungsmaßstab des § 1696 BGB bezweckt, die Beteiligten, insbesondere das betroffene Kind, vor Belastungen durch ein beliebiges Wiederaufrollen von Sorgerechts- und Umgangsentscheidungen zu schützen. Ein solcher Schutz ist dem einstweiligen Anordnungsverfahren, dessen Entscheidungen nur auf einer summarischen Prüfung beruhen und per se vorläufig sind, fremd, wie auch die Vorschrift des § 54 FamFG zeigt.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 2, § 1696 Abs. 1; FamFG § 54
Verfahrensgang
AG Waldbröl (Beschluss vom 14.11.2012; Aktenzeichen 19 F 233/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 14.11.2012 erlassenen Beschluss des AG -Familiengericht- Waldbröl (19 F 233/12) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Antragsgegnerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt E bewilligt.
Dem Antragsteller wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C bewilligt.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das AG dem Kindesvater im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden gemeinsamen Töchter gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB übertragen. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Soweit die Antragsgegnerin einen Verfahrensfehler des Familiengerichts bei Erlass der einstweiligen Anordnung rügt, so wäre dieser jedenfalls im Beschwerdeverfahren geheilt. Der Einwand der Antragsgegnerin, das AG habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass für die zu treffende Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der strenge Maßstab des § 1696 BGB und nicht die (einfache) Kindeswohlprognose des § 1671 Abs. 2 BGB gilt, greift nicht durch.
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Vergleich vom 27.6.2012 überhaupt eine verbindliche Regelung zum Sorgerecht i.S.d. § 1696 Abs. 1 BGB enthält. Die Eltern haben in der vorgenannten Vereinbarung lediglich festgelegt, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Haushalt der Mutter sein soll. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Rechtssinne kann durch eine Vereinbarung der Eltern nicht erfolgen, da die Eltern über die elterliche Sorge nicht disponieren können. Vielmehr hätte es hierfür einer gerichtlichen Entscheidung gem. § 1671 Abs. 2 BGB bedurft, die bis zu der angefochtenen Entscheidung des AG vom 14.11.2012 nicht erfolgt ist. Selbst eine familiengerichtliche Billigung von Vereinbarungen der Eltern reicht nicht aus, um in den gesetzlichen Sorgestatus einzugreifen. Dementsprechend vertritt das KG (Beschl. v. 5.4.2012 - 17 UF 50/12 - m.w.N.; zitiert nach juris; Leitsatz veröffentlicht in FamRZ 2013, 46) die Auffassung, dass der Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht eingreift, solange trotz einer gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung die kraft Gesetzes bestehenden Sorgeverhältnisse unverändert fortgelten.
Der Senat kann im vorliegenden Fall offen lassen, ob er sich der Auffassung des KG uneingeschränkt anschließt. Denn jedenfalls steht einer Anwendung des § 1696 Abs. 1 BGB auf den Vergleich der Eltern vom 27.6.2012 entgegen, dass es sich nur um eine ausdrücklich vorläufige Regelung zum Aufenthalt der Kinder bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens handelt.
Der Vergleich wurde zur Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens getroffen. Eine gerichtliche Entscheidung in einer einstweiligen Anordnungssache könnte gem. § 54 Abs. 1 FamFG indes abgeändert werden, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 1696 BGB vorliegen müssten. Die Gleichstellung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in § 1696 BGB beruht auf der gerichtlichen Billigung. Lässt § 54 FamFG eine Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Anordnungsve...