Entscheidungsstichwort (Thema)

Getränkepreise beim Pizzaservice

 

Leitsatz (amtlich)

Ein als Franchisesystem organisierter Lieferdienst für frisch zubereitete Speisen, der auch fertig abgepackte Getränke und Desserts anbietet und dafür unter Angabe des Endpreises wirbt, hat den mit dem Endpreis nicht identischen Grundpreis der Waren jedenfalls dann anzugeben, wenn aus Verbrauchersicht dem Angebot der verpackten Waren neben dem Zubereiten und Liefern der frischen Speisen eigenständige Bedeutung zukommt.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11; PAngV § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 4 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 14.12.2010; Aktenzeichen 33 O 196/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.06.2012; Aktenzeichen I ZR 110/11)

 

Tenor

I. Das am 14.12.2010 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 196/10 - wird auf die Berufung des Klägers abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern wie nachstehend für die Produkte "5l Fass Bitburger Premium Pils solo", "Chianti, Lambrusco, Soave 0,75l" und/oder "Cookie Caramel Brownie Cup 500 ml" wiedergegeben, Lebensmittel unter Preisangabe zu bewerben, ohne den Grundpreis anzugeben:

(Abbildung entfernt)

und/oder

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2. Die Beklagten werden ferner verurteilt, an den Kläger jeweils 196,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.6.2010 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu je 1/3 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung i.H.v. je 5.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sie können die Vollstreckung im Übrigen durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagten bieten - als Angehörige eines Franchisesystems - die Lieferung von frisch zubereiteten Speisen wie Pizza, Pasta, Salaten und Aufläufen sowie von verpackten Getränken und Desserts in Teile des Stadtgebiets von Köln an; auch eine Bestellung zur Abholung ist möglich. Auf einem gemeinsamen Faltblatt warben sie im Mai 2010 wie in der Urteilsformel wiedergegeben für Bier, Wein und Eiskrem. Der Kläger - ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs - sieht darin einen Verstoß gegen die Pflicht zur Grundpreisangabe und eine Irreführung durch Unterlassen. Er hat die Beklagten auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Das LG, auf dessen Urteil Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, weil das Warenangebot der Beklagten im Rahmen einer Dienstleistung - der Herstellung und des Auslieferns von Pizza und ähnlichen Speisen - erfolge und deshalb von der Pflicht zur Grundpreisangabe ausgenommen sei. Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt, wie erkannt.

Die Beklagten halten den Kläger für nicht aktivlegitimiert, weil zu seinen Mitgliedern keine vergleichbaren Speisenlieferdienste gehörten; zu anderen Lebensmittelanbietern stünden sie in keinem Wettbewerbsverhältnis. Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

1. Die vom LG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - offen gelassene Aktivlegitimation des Klägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Wie in zweiter Instanz unstreitig und dem Senat ohnehin aus anderen Verfahren bekannt ist, gehören dem zur Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder befähigten Kläger unmittelbar oder vermittelt durch Branchen- und Fachverbände zahlreiche Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels an. Der den Beklagten angelastete Rechtsverstoß berührt die Interessen dieser Unternehmen und für den erforderlichen Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt ist nicht allein auf Lieferdienste für frisch zubereitete verzehrfertige Speisen abzustellen. Für die Branchennähe reicht es nämlich aus, dass eine nicht ganz unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Ob dies der Fall ist, hängt von dem Wettbewerbshandeln des in Anspruch Genommenen ab, wobei nicht sein Gesamtsortiment, sondern der Bereich den Ausschlag gibt, dem die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme zuzurechnen ist (BGH GRUR 2007, 610 = WRP 2007, 778 [Rz. 17] - Sammelmitgliedschaft V; GRUR 2007, 809 = WRP 2007, 1088 [Rz. 14] - Krankenhauswerbung). Gegenstand des Klagebegehrens ist eine konkrete Werbung der Beklagten für fertig abgepackte Lebensmittel (Bier, Wein, Eiskrem). Jed...

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