Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20.12.2019, Az. 8 O 99/18, abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht - z.T. aus abgetretenem Recht - gegen die Beklagte zu 1) als Haftpflichtversicherung des früheren Rechtsanwalts W. Schadensersatzansprüche wegen einer angeblich fehlerhaften Beratung in einer Krisensituation geltend.
Die Familie C. war im Fleischhandel aktiv. Diesen betrieb sie über die C. V. (künftig: KG). Im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer der Komplementärin war bis 2009 Herr A. C. sen. und seitdem sein Sohn A. F. C. jun., der im Jahre 2009 auch die Kommanditeinlage der alleinigen Kommanditistin P. C., seiner Mutter, übernahm. Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.08.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt U. bestellt. Der Betrieb der KG wurde auf einem Grundstück geführt, das diese von der Klägerin, deren einzige Kommanditistin Frau C. ist, gemietet hatte.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der KG hat in einem vor dem Landgericht Aachen geführten Rechtsstreit (10 O 204/16) die Klägerin auf Zahlung von 186.646,25 EUR in Anspruch genommen. Diesen Betrag sollte die KG in den letzten vier Jahren vor Beantragung der Insolvenz zum Teil ohne Rechtsgrund bzw. als Miete für das Betriebsgrundstück an die Klägerin geleistet haben. Daneben hat er Vater und Sohn C. auf Zahlung von 279.729,44 EUR wegen nach Eintritt der Insolvenzreife der KG im Zeitraum vom 02.01.-01.06.2012 geleisteter bzw. auf ein debitorisch geführtes Konto eingenommener Zahlungen in Anspruch genommen. Die Klage des Insolvenzverwalters gegen die Klägerin wurde zurückgenommen, nachdem es zwischen der Klägerin, ihrer Komplementärin und den beiden Herren C. auf der einen und dem Insolvenzverwalter auf der anderen Seite am 06.04/20.05.2018 zu einem außergerichtlichen Vergleich mit im Wesentlichen folgenden Inhalt gekommen war:
"1. Herr A. C. und Herr A. F. C. verpflichten sich, als Gesamtschuldner an Herrn Rechtsanwalt Y. U. in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. V. ... 85.000,00 EUR zu zahlen.
2. Mit der Zahlung dieses Vergleichsbetrages sind sämtliche Ansprüche der Insolvenzmasse gegen die Herren A. C. und A. F. C. ... abgegolten und erledigt. Ebenfalls abgegolten und erledigt sind alle ... Ansprüche der Masse gegenüber der N. (haftungsbeschränkt) & Co. KG sowie der N. (haftungsbeschränkt)." (Anl. I/82)
Der Vergleich wurde erfüllt.
Die Beklagte zu 1) ist die Haftpflichtversicherung von Rechtsanwalt W., über dessen Vermögen am 18.04.2017 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Rechtsanwalt W. war seit Sommer 2009 mit der Umorganisation und Restrukturierung der Vorgängerfirma der Klägerin, der N. T. Produktions GmbH & Co. KG, und der KG befasst. Daneben war er mit der Abwehr von Forderungen gegen die KG und Verhandlungen mit der Aachener Bank eG, bei der das Geschäftskonto der KG geführt wurde, beauftragt. Dabei erfolgte kein Hinweis auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzreife der KG und die daraus erwachsenden Folgen, die sich u. a. aus § 130a HGB (a.F.) ergeben. Die Herren C. haben etwaige ihnen deswegen zustehende Ansprüche gegen Rechtsanwalt W. am 22.05.2018 an die Klägerin abgetreten (Anl I/86). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge, mit denen die Klägerin neben der Beklagten zu 1) zusätzlich auch die damaligen Steuerberater der KG in Anspruch genommen hat, wird auf das angefochtene Urteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 04.02.2020 verwiesen.
Mit Urteil vom 20.12.2019 hat das Landgericht die Beklagte zu 1) zur Zahlung des Vergleichsbetrags sowie der den Herren C. entstandenen Anwaltskosten verurteilt. Diese hafte der Klägerin aus abgetretenem Recht der Herren C. gemäß § 115 Abs. 1 S. 2 VVG i. V. m. § 280 Abs. 1, §§ 675, 611 BGB. Der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 1), Rechtsanwalt W., habe gegen die Verpflichtung aus einem mit der KG bestehenden Anwaltsvertrag, und zwar aus einem im Februar 2011 geschlossenen Sanierungsauftrag hinsichtlich der Beratung zu einer weiteren Darlehenshingabe durch Frau C., verstoßen, die KG auf deren zumindest seit Ende 2011 bestehende Insolvenzreife und die Pflicht zur Insolvenzantragstellung sowie zur Masseerhaltung hinzuweisen. Die Herren C. seien als Geschäftsführer (Herr C. jun.) bzw. faktischer Geschäftsführer (Herr C. sen.) in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezog...