Leitsatz (amtlich)
1. Zum Verwirkungseinwand, insbesondere zum Umstandsmoment, wenn der Darlehensnehmer - nach zuvor durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs erklärter außerordentlicher Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrages und vor dessen Widerruf durch den Darlehensnehmer - unter dem Eindruck der durch den Darlehensgeber eingeleiteten Grundschuldverwertung die Sicherungsobjekte weitgehend selbst veräußert.
2. Kündigt der Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag wegen Zahlungsrückständen außerordentlich und erklärt später der Darlehenensnehmer den Widerruf seiner auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung, kann der Darlehensgeber für den Zeitraum zwischen Kündigung und Widerruf nicht den vertraglich vereinbarten Zins verlangen. Für den Zeitraum ab Wirksamkeit des Widerrufs bis zur vollständigen Darlehensrückführung steht dem Darlehensgeber aus § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Halbs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils noch tatsächlich überlassenen Teil der Darlehensvaluta zu, der sich grundsätzlich am Vertragszins bemisst (BGH, Beschluss vom 12.09.2017 - XI ZR 365/16 -, WM 2017, 2146 Rn. 12).
Normenkette
BGB § 346 Abs. 2 Fassung: 2002-07-23, § 355 Fassung: 2004-12-02, § 357 Fassung: 2004-12-02, § 495 Fassung: 2002-07-23, § 497 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2002-07-23
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 21 O 2/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. Oktober 2017 - 21 O 2/16 - teilweise abgeändert und die Beklagte unter gleichzeitiger Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels verurteilt, an den Kläger 16.708,32 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28. Januar 2016 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen der Kläger 38 % und die Beklagte 62 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 15 % und die Beklagte 85 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. 1. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird - insoweit unter Abänderung des in das landgerichtliche Urteil integrierten Beschlusses vom 24. Oktober 2017 -
bis zum 23. Oktober 2016 auf |
44.490,64 EUR |
vom 24. Oktober 2016 bis 28. November 2016 auf |
24.999,00 EUR |
und ab dem 29. November 2016 auf |
39.222,35 EUR |
festgesetzt.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.354,64 EUR festgesetzt.
Gründe
I. 1. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträgen gerichteten Willenserklärungen des Klägers und über die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen.
a) Der Kläger schloss als Darlehensnehmer am 13./26. September 2007 und am 07./22. Februar 2008 mit der Beklagten zwei grundpfandrechtlich besicherte Darlehensverträge: Einen Vertrag (Nr. 6xx05xx63x - im Folgenden: Darlehen 1; Anlage K 1) über ein Annuitätendarlehen im Nennbetrag von 215.000 EUR mit einem bis zum 4. September 2017 festgeschriebenen Zinssatz (5,05 % p.a.) und einen Vertrag (Nr. 6xx06xx24x - im Folgenden: Darlehen 2; Anlage K 2) über ein Annuitätendarlehen im Nennbetrag von 592.000 EUR mit einem bis zum 5. Februar 2018 festgeschriebenen Zinssatz (4,89 % p.a.). Im Zuge des Vertragsschlusses wurde der Kläger jeweils über sein Widerrufsrecht belehrt; wegen des Inhalts der Darlehensverträge und der diesbezüglichen Widerrufsbelehrungen wird auf die Anlagen K 1 und K 2 (AnlH 1 ff. / 7 ff.) verwiesen.
Wegen der getroffenen Feststellungen und der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Der Kläger, der mit seiner Klage Nutzungsersatz geltend macht, hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.999 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat unter anderem die Auffassung vertreten, der Kläger habe sein Widerrufsrecht verwirkt. Im Übrigen hat sie hilfsweise die Aufrechnung mit Wertersatzansprüchen in Höhe von (Darlehen 1: 1.420,27 EUR bzw. Darlehen 2: 12.802,08 EUR =) insgesamt 14.222,35 EUR erklärt.
b) Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 22.132,29 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Seine Entscheidung hat es - soweit für die Berufung von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte schulde dem Kläger Nutzungsersatz auf die bis zum Widerruf an sie erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, weil sich die Darlehensverträge infolge des wirksamen Widerrufs vom 21. August 2014 in Rückgewährschul...