Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, muß der Erblasser in dem Testament neben der Entziehungserklärung den Kernsachverhalt angeben, auf den er die Pflichtteilsentziehung stützt. Erforderlich ist danach eine gewisse Konkretisierung des Entziehungsgrundes in dem Testament, die jedoch nicht in Einzelheiten zu gehen braucht, soweit nur der oder die Entziehungsgründe gerade noch unverwechselbar festgelegt und der Kreis der in Betracht kommenden Vorfälle praktisch brauchbar eingegrenzt ist.
2. Die Verzeihung setzt ein Verhalten des Erblassers voraus, mit dem er zum Ausdruck bringt, daß er die mit der Verfehlung des Pflichtteilsberechtigten verbundene Kränkung überwunden hat.
Normenkette
BGB §§ 2333, 2337
Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 26.10.1995; Aktenzeichen 7 0 83/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 26. Oktober 1995 – 7 0 83/95 – im Ausspruch zur Widerklage teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 3.167,11 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Februar 1995 zu zahlen.
Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 9/10 und der Beklagten zu 1/10 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Be-klagten gegen eine Sicherheitsleistung von 33.000,– DM und die Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen eine Sicherheitsleistung von 3.500,– DM abwenden, sofern nicht die jeweilige Gegenpartei Si-cherheit in derselben Höhe leistet.
Die Sicherheit kann auch durch selbstschuld-nerische Bürgschaft einer deutschen Groß-bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils-ansprüche nach seiner am 11. Juni 1994 verstorbenen Ehefrau G. M. geltend. Die Beklagte ist die Kusine der Erblasserin und von dieser durch notarielles Testament vom 27. November 1989 (UR-Nr.: 3452/1989 des Notars Dr. P. D. in B.-D.) als Alleinerbin eingesetzt worden. Am 15. Juni 1993 traf die Erblasserin privatschriftlich eine weitere letztwillige Verfügung, die mit den Worten „Noch ein Nachtrag zu meinem Testament UR-Nr. 3452/1989” überschrieben ist. Darin heißt es u.a.:
„Mein Mann H. M. erbt nichts. Ich habe in den fast 28 Ehejahren nie einen Pfennig Haus-haltsgeld bekommen. Alles mußte ich für ihn anschaffen und auch noch von meinem Geld be-zahlen. In den fast 28 Ehejahren habe ich nur Schläge bekommen, meine Wohnungseinrichtung hat er ein paarmal kaputtgeschlagen.
…
Mein Mann bekommt lediglich als Erbe seinen Rasierapparat, drei graue Posthosen sowie zwei blaue Posthemden. Das ist mein Vermächtnis an meinen Mann, weil er mich nur gedemütigt, geschlagen und nie einen Pfennig Haushaltsgeld bekommen habe.
…”
In den letzten Lebensjahren der Erblasserin war es zwischen den Eheleuten wiederholt zu Auseinandersetzungen gekommen. Dabei war der Kläger in mindestens fünf dieser Vorfälle auch tätlich geworden und hatte seine Ehefrau geschlagen, nämlich am 8./9. Juli 1989 und am 29. Januar 1994 sowie bei drei weiteren Vorfällen, die vor dem Jahre 1989 lagen. Zumindest am 8./9. Juli 1989 und am 29. Januar 1994 hatte der Kläger auch Mobiliar in der ehelichen Wohnung zerschlagen und mit Geschirr um sich geworfen. Dabei war die Erblasserin von Geschirr im Gesicht getroffen worden. Sowohl nach dem Vorfall vom 8./9. Juli 1989 als auch nach dem Vorfall vom 29. Januar 1994 wurde der Kläger zwangsweise in der Rheinischen Landesklinik untergebracht.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe gegen die Beklagte ein Pflichtteilsanspruch zu, da die Erblasserin ihm seinen Pflichtteil nicht wirksam entzogen habe. Hierzu hat er behauptet, soweit er bei den Auseinandersetzungen die Erblasserin geschlagen und Mobiliar in der Wohnung zertrümmert habe, sei dies wegen seiner Alkoholabhängigkeit im Zustand der Schuldunfähigkeit geschehen. Im übrigen habe ihm die Erblasserin später verziehen und auf eine Entziehung seines Pflichtteils verzichtet. Sie habe nämlich einen Tag vor ihrem Tode gegenüber einer Zeugin wörtlich bekundet, es sei alles geregelt, der Kläger habe ein lebenslanges Wohnrecht und sei Nutznießer von allem, er könne nur nichts mehr verkaufen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses – insbesondere bezüglich des Wertes der Immobilien, Bar- und Spargutha-ben – der am 11. Juni 1994 verstorbenen Frau G. M. unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses und entsprechender Belege zu erteilen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den aufgrund der erteilten Auskunft zu errechnenden Pflichtteilsbetrag in Höhe der Hälfte des Nachlaßwertes zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abz...