Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung der Provisionsverluste des Handelsvertreters ist auf dessen Umsatz mit Neukunden, die auch Mehrfachkunden sind, im letzten Vertragsjahr auszugehen. Die hiernach anzustellende Prognose setzt also zumindest voraus, dass das Verhältnis zwischen Neukunden- und Mehrfachkunden mitgeteilt wird. Zur Erstellung der Zukunftsprognose ist wenigstens das Vorbringen erforderlich, wieviel Prozent des Umsatzes mit Mehrfachkunden erzielt werden.
Wenn ein Handelsvertreter das später von ihm vertretene Unternehmen allein gegründet und aufgebaut hatte, kann er grds. nicht „als Mann der ersten Stunde” angesehen werden, wenn er dieses Unternehmen einschließlich Kundenstamm zu einem nicht unerheblichen Kaufpreis veräußert hatte, bevor er für den Erwerber als Handelsvertreter tätig wurde. Auch in einem solchen Fall trifft ihn die volle Darlegungs- und Beweislast für die Werbung eines jeden von ihm nach Veräußerung des Unternehmens als Handelsvertreter geworbenen Neukunden.
Der einmal entstandene Ausgleichanspruch eines Handelsvertreters kann nicht einseitig dadurch zu Nichte gemacht werden, dass der bisherige Vertretungsgeber statt des Ausgleichs nach Vertragsbeendigung nicht mehr geschuldete Provisionen zahlt oder zahlen will.
Normenkette
HGB § 89b
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 85 O 131/01) |
Tenor
Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Senates vom 5.7.2002 und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wird das am 4.12.2002 verkündete Urteil des LG Köln – 85 O 131/01 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 116.201,28 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.4.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten ihrer Säumnis, die weiteren Kosten der Berufung werden der Klägerin zu 85 % und der Beklagten zu 15 % auferlegt. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leistet.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin klagt aus abgetretenen Recht ihres Ehemannes, der für die Beklagte zuletzt als alleinvertretungsberechtigter Handelsvertreter für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig war.
Im Jahre 1993 verkaufte der Ehemann der Klägerin das von ihm gegründete und aufgebaute Unternehmen, welches Werbetafeln auf Golfplätzen vermarktete, zum Preis von 1,4 Mio. DM an die Beklagte. Seit Juni 1993 war der Ehemann der Klägerin als Handelsvertreter für die Beklagte tätig und erhielt zunächst eine Provision von 20 % für jeden neu vermittelten Werbevertrag. Nach längeren Verhandlungen schlossen der Ehemann der Klägerin und die Beklagte am 23.3.1995 mit Wirkung zum 1.1.1995 einen schriftlichen Handelsvertretervertrag, der für den Ehemann der Klägerin u.a. höhere Provisionen, ein Alleinvertretungsrecht für die gesamte Bundesrepublik Deutschland vorsah und folgendes regelte: Die Fälligkeit der Provisionen war abhängig von der Dauer der Laufzeit der vermittelten Verträge. Bei Aufträgen mit einer Grundmietdauer von bis zu 3 Jahren wurde die Provision nach Berechnung der ersten Jahresmiete fällig. Bei Aufträgen mit einer Grundmietdauer von mehr als 3 Jahren wurde die Provision für die ersten 3 Jahre nach Berechnung der ersten Jahresmiete und die Provision für die übrigen Jahre erst nach Berechnung der vierten Jahresmiete fällig. Darüber hinaus bestimmten § 6 Abs. 4 für die Dauer des Vertrages:
„Verlängern sich Verträge nach der ersten fest vereinbarten Laufzeit (Grundmietdauer) automatisch um weitere Jahre, so steht H.” (gemeint ist der Ehemann der Klägerin) „auch für diese Folgejahre die vereinbarte Provision zu.”
und § 7 IV 3 für den Fall der Beendigung des Vertrages:
„Neue Aufträge und Vertragsverlängerungen, die erst nach dem Ende des Vertrages von W.” (= Beklagte) „erteilt werden bzw. eintreten, sind nicht mehr provisionspflichtig.”
Gem. § 9 I S. 2 und 3 des Vertrages bedurften Änderungen und/oder Ergänzungen des Vertrages der Schriftform und auch ein etwaiger Verzicht auf dieses Schriftformerfordernis sollte nur schriftlich möglich sein. Wegen der nähere Einzelheiten dieses Vertrages wird auf die vorgelegten Kopien (AH 2–6) Bezug genommen.
Ende 1999/Anfang 2000 plante die Muttergesellschaft der Beklagten, die W. Holding AG, eine Umstrukturierung der Beklagten, wonach u.a. der Handelsvertretervertrag mit dem Ehemann der Klägerin beendet und deren Sohn zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt werden sollte und auch bestellt wurde...