Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislast für ein vom Montrealer Übereinkommen (MÜ) 1999 abweichendes Haftungsregime
Leitsatz (amtlich)
Kommt es während eines vereinbarten Lufttransports, auf den das Montrealer Übereinkommen 1999 Anwendung findet, nach Abflug und vor Erreichen des Zielflughafens nach einer Zwischenlandung zu einem ungeklärten Sendungsverlust, trägt für die Behauptung, ab dem Ort der Zwischenlandung sei die Weiterbeförderung im grenzüberschreitenden Straßenverkehr erfolgt und der Güterverlust auf dieser Strecke eingetreten, so dass das Haftungsregime der CMR anwendbar wäre, derjenige die Beweislast, der dies behauptet.
Normenkette
MÜ Art. 1, 18 Abs. 1, 3, Art. 22 Abs. 3, Art. 38 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 21.06.2006; Aktenzeichen 16 O 20/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 21.6.2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Bonn (16 O 20/05) wird dieses abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 540 Abs. 1, 2 ZPO abgesehen.
II. Die formell einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 6.415 EUR im Hinblick auf zwei auf dem Transport von F. D./Kalifornien/USA nach Köln bzw. Bonn abhanden gekommenen Interface Adapter Cards zu.
Hierbei geht der Senat zunächst davon aus, dass streitgegenständlich die Sendung gemäß Luftfrachtbrief (A. W.) Nr. ... ... 6225 war, die nach dem genannten Luftfrachtbrief von 1.10.2004 (amerikanische Schreibweise 10/1/04) per Luftfracht vom Flughafen San Diego zum Flughafen Köln (CGN) transportiert werden sollte.
Weiter kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin als Transportassekuradeurin aufgrund der Abtretung, die auf die A. W. 6225 ausdrücklich Bezug nimmt, aktiv legitimiert ist. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ist nicht erkennbar, denn die Klägerin ist als Assekuradeur ein Versicherungsagent mit speziellen Vollmachten, die ihn berechtigen, wie ein Versicherer aufzutreten, insbesondere Schäden im eigenen Namen zu regulieren (vgl. KG, Urt. v. 9.11.2004 - 14 U 27/03, KGReport Berlin 2005, 153 = NJW-RR 2005, 179). Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, durch die Abtretung habe die Klägerin einen Übergang des Anspruchs auf die Versicherung verhindert, was gegen das Aufgabeverbot nach § 67 Abs. 1 S. 3 VVG verstoße, geht dies aufgrund der Stellung der Klägerin als Assekuradeurin, also als Bevollmächtigter der beteiligten Versicherungen, fehl.
Maßgebliches Haftungsregime für den streitigen Schadensfall ist das Montrealer Übereinkommen vom 28.9.1999 (MÜ).
Das MÜ galt zum Zeitpunkt des Verlustes der streitgegenständlichen Sendung sowohl am Ort der Absendung, nämlich den USA (seit November 2003), als auch am Zielort der Sendung, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland (seit 28.6.2004).
Es ist auch entgegen der Auffassung der Klägerin davon auszugehen, dass die Sendung während der Luftbeförderung abhanden gekommen ist, so dass gem. Art. 1, 38 Nr. 1 MÜ das MÜ Anwendung findet.
Nach dem seitens der Klägerin vorgelegten Luftfrachtbrief war zwischen der Absenderin, der Fa. H., und der Beklagten ein Lufttransport vom Flughafen San Diego (SDM = San Diego - Brown Field Municipal) zum Flughafen Köln (CGN = Flughafen Köln/Bonn Konrad Adenauer) vereinbart. Am Flughafen Köln ist die streitgegenständliche Sendung jedoch nie angekommen. Es ist vielmehr zwischen den Parteien unstreitig, dass sie zum letzten Mal am Flughafen Charles de Gaulles in Paris von der Beklagten gescannt wurde und der Verbleib der Sendung ab diesem Zeitpunkt unklar ist. Nach dem - bestrittenen und als verspätet gerügten - Vortrag der Beklagten sollte die Sendung vom Flughafen Paris nach Frankfurt verflogen werden. Legt man dies zugrunde, ist die Sendung während der Obhut des Luftfrachtführers gem. Art. 18 Nr. 3 MÜ abhanden gekommen, denn dann wäre ein Weitertransport vom Flughafen in Paris per Luftfracht nach Frankfurt erfolgt. Aber auch wenn man diesen Vortrag der Beklagten außer Acht läst, ergibt sich im Ergebnis keine andere Bewertung. Denn dann ist zunächst von der auf dem Luftfrachtbrief dokumentierten vertraglichen Vereinbarung auszugehen, nach der die Sendung - unabhängig davon, ob während der Beförderung ein Umschlag auf einem oder mehreren Flughäfen erfolgt - vom Flughafen San Diego zum Flughafen Köln/Bonn per Luftfracht befördert werden sollte. Auch dann wäre also davon auszugehen, dass die Sendung während der vertraglich vereinbarten Luftbeförderung, nämlich vor Ankunft auf dem Zielflughafen Köln, abhanden gekommen ist, so dass die Anwendung des MÜ eröffnet ist.
Soweit demgegenüber die Klägerin mit der Begründung, die Sendung hätte vom Flughafen Charles de Gaulles im Wege des Luftersatzverkehrs, der von der Beklagten bestritten wird, mit einem Lkw nach Deutschland transporti...