Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarerklärung ausländische Schiedsspruch/Anerkennungsversagungsgründe
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Rechtshängigkeit einer nach italienischem eingetretenen "Liquidation" der Antragstellerin (concordato preventivo) einer Sachentscheidung entgegensteht.
Dem Berufen auf das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung steht nicht entgegen, dass das Schiedsgericht seine Zuständigkeit abschließend festgestellt hätte, und zur Frage, ob das Berufen auf die fehlende Schiedsabrede im Anerkennungsverfahren treuwidrig ist.
Eine Schiedsabrede kann auch durch einen fehlenden rechtzeitigen Widerspruch auf ein die Schiedsabrede enthaltendes Dokument im Sinne eines Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zustande kommen.
Etwaige Befangenheit eines Schiedsrichters als Anerkennungsversagungsgrund und Notwendigkeit, dass der in der Mitwirkung eines befangenen Schiedsrichters liegende Verstoß gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege im schiedsrichterlichen Verfahren konkret ausgewirkt hat.
Normenkette
ZPO §§ 1031, § 1061 ff., §§ 240, 250; InsO §§ 85-86, 270, 352; EuÜ Art. II, Art. V; EUInsVO §§ 1-2, 15; EuGVVO §§ 32-33
Tenor
Der vom Schiedsgericht der FOSFA (Federation of Oils, Seed and Fats Association Ltd., E, GB-London F, Vereinigtes Königreich), bestehend aus den Schiedsrichtern J. D und B, zwischen den Parteien ergangene Schiedsspruch Nr. 4243 (Award of Arbitration NO 4243) vom 26.3.2012 wird mit folgendem Tenor im Inland für vollstreckbar erklärt:
Die Antragsgegnerin hat an die Antragstellerin 388.664 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4,25 % p. a. seit dem 1.10.2007, die vierteljährlich ab dem 1.10.2007 berechnet werden, zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten, Gebühren und Auslagen des Schiedsverfahrens zu tragen. Dies gilt insbesondere für die Gebühren der Federation i.H.v. 810 £, die Gebühren der Schiedsrichter i.H.v. 8.650 £ und die Gebühren für Nicht-Mitglieder i.H.v. 1.500 £.
Die Antragsgegnerin hat an die Antragstellerin 250 £ für die Ernennung eines Schiedsrichters im Namen der Antragsgegnerin zu zahlen.
Die Kosten dieses Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien sind im Getreidehandel tätig.
In der Zeit zwischen dem 28.11.2005 und dem 26.4.2007 schlossen sie eine Vielzahl von Lieferverträgen über verschiedene Getreidesorten, denen regelmäßig die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel zugrunde gelegt wurden und als Schiedsgericht dasjenige der Rheinischen Warenbörse in L bestimmt war. Der Handel mit Getreide und verwandten Produkten ist dadurch gekennzeichnet, dass die weit überwiegende Zahl aller Kontrakte Schiedsvereinbarungen enthalten.
Ende April 2007 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Lieferung von 3.000 Tonnen russischen Leinsamens von der Beklagten an die Klägerin. Als Kaufpreis wurde 225 EUR pro Tonne vereinbart. Der genaue Inhalt dieses Vertrages im Weiteren sowie die Einzelheiten seines Zustandekommens sind zwischen den Parteien streitig.
Im August 2007 bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin darum, wegen zwischenzeitlich erheblich gestiegener Getreidepreise auch die vertraglich vereinbarten Preise anzuheben, und zwar auf 250 EUR pro Tonne bei gleichzeitiger Reduzierung der Vertragsmenge von 3.000 auf 2.000 t. Dies lehnte die Antragstellerin ab. Eine Lieferung erfolgte nicht. Mahnungen der Antragstellerin blieben unbeantwortet. Mit Schreiben vom 2.10.2007 erklärte die Antragsgegnerin, man könne nicht liefern und schlage deshalb eine Vertragsanpassung dahin vor, dass man aus der Ernte 2008 liefern werde zu einem noch zu verhandelnden Preis.
Unter Berufung auf eine zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsklausel, welche das Schiedsgericht der FOSFA, der "Federation of Oils, Seeds and Fats Associations" mit ständigem Sitz in London als Schiedsgericht ausweist, hat die Antragstellerin Klage vor diesem Gericht erhoben.
Im Schiedsverfahren machte die Antragsgegnerin geltend, dass der zwischen den Parteien geschlossene Liefervertrag keine Schiedsklausel enthalte, die zu einer Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes führe. Man habe einen anderen Vertrag schriftlich aufgesetzt, der das Schiedsgericht der Rheinischen Warenbörse in L vorgesehen habe. Allein dieses Dokument sei bindend.
Das angerufene Schiedsgericht erließ unter dem 5.8.2008 einen Zwischenentscheid, mit dem es sich für zuständig erklärte. Diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin vor dem High Court in London - Handelsgericht - angefochten, das Verfahren letztlich aber nicht fortgeführt. Da nach englischem Recht hierzu die Zustimmung des Gegners oder die des Gerichts erforderlich, diese aber nicht erteilt waren, wies das staatliche Gericht die Klage der Antragsgegnerin am 4.5.2011 zurück. Das Schiedsgericht verurteilte die Antragsgegnerin mit Schiedsspruch vom 26.3.2012 zur Zahlung von 388.664 EUR als Schadensersatz nebst Zinsen und Kosten.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarkeitserklärung des Schiedsspruchs...