Verfahrensgang

LG Aachen (Entscheidung vom 23.03.1989; Aktenzeichen 10 O 8/89)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.03.1989 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 0 8/89 - abgeändert und neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, a die Klägerin

15.000,- DM nebst 4% Zinsen seit dem 17.01.1989 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus dem Verkehrsunfall vom 18.05.1988 in S -K an der Bushaltestelle in Höhe der Kirche entstehen wird, soweit nicht die Ansprüche der Klägerin auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Beklagten sind als Gesamtschuldner gegenüber der Klägerin zum vollen Schadensersatz verpflichtet, §§ 847 Abs.1, 823 Abs.1 und 2 BGB, § 230 StGB, §§ 7 Abs.1, 18 Abs.1 StVG, § 3 PflVG. Der Beklagte zu 1) haftet als Fahrer, die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Fahrzeughalters.

Die Haftung der Beklagten ist nicht nach §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen, denn weder der Halter des Busses, noch der Beklagte zu 1) waren beim Einsatz des Schulbusses in den Schulbetrieb eingegliedert (vgl. BGH NJW 1982. 1042 f.).

Der Beklagte zu 1) hat die Körperverletzung der Klägerin durch den Verkehrsunfall vom 18.05.1988 schuldhaft verursacht. Wie die gem. § 358 a ZPO in zweiter Instanz durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, fuhr der Beklagte zu 1) mit einer zu hohen Geschwindigkeit an die Bushaltestelle heran. Entgegen dem in erster Instanz unstreitigen Sachverhalt hatte der Beklagte zu 1) die Geschwindigkeit des Busses nicht so weit herabgesetzt, daß das Fahrzeug nur noch ganz langsam ausrollte. Der Beklagte zu 1) fuhr vielmehr über die letzte Strecke von 11 Metern mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h. also mehr als das Doppelte einer zügigen Schrittgeschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit ist zwischen den Parteien nach Auswertung der Tachometerscheibe durch den Sachverständigen Dr. H nicht mehr streitig.

Die für die Verkehrssituation zu hohe Geschwindigkeit gereicht dem Beklagten zu 1) zum Verschulden, denn er hätte an die Haltestelle nur ganz langsam. das heißt mit weniger als Schrittgeschwindigkeit heranfahren dürfen (vgl. BGH NJW 1982, 1042 ff., 1044). Wie auch in dem von BGH entschiedenen Fall näherte sich der Bus einer größeren Gruppe von Kindern und Heranwachsenden, die sich nach der Vorstellung der erziehenden Generation undiszipliniert verhielten. Der Beklagte zu 1) erkannte, daß die Gruppe der Schüler in Bewegung geriet. Die Gefahr, daß eines oder mehrere Kinder dem Druck der Menge nicht würden standhalten können, lag offen zu Tage, auch wenn die Bewegung parallel zur Fahrbahn verlief. Der Beklagte zu 1) hätte deshalb auf keinen Fall eine Gefährdung von Leib und Leben auch nur eines Schülers in Kauf nehmen dürfen, sondern mußte seine Fahrweise so einrichten, daß nach menschlichem Ermessen nichts passieren konnte. Deshalb hätte er die Geschwindigkeit nochmals ganz deutlich reduzieren müssen, bevor er die Gruppe der wartenden Schüler erreichte. Hätte er die Geschwindigkeit so weit herabgesetzt, daß der Bus mit weniger als Schrittgeschwindigkeit ausgerollte wäre, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen, denn dann hätte er das Fahrzeug nach dem Aufschrei der Klägerin wesentlich schneller anhalten können. Abgesehen davon spricht nach der Lebenserfahrung auch alles dafür, daß dann der Unfall anders verlaufen, daß die Klägerin vom Hinterrad des Busses nicht erfaßt und nicht von dem Fahrzeug mitgezogen worden wäre.

Aus alledem folgt zugleich, daß der Unfall nicht unabwendbar im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG war.

Die Fahrweise des Beklagten zu 1) ist aber auch aus anderen Gründen zu beanstanden. Selbstverständlich mußte der Beklagte zu 1), wenn er es aus Sicherheitsgründen für angebracht hielt, einen größeren Abstand zum Fahrbahnrand einhalten. Selbst wenn dadurch theoretisch eine Gefährdung aussteigender Fahrgäste begründet worden wäre, hätte er solche Fahrgäste vor dem Öffnen der Türen warnen können. Die Beklagten tragen aber nicht einmal vor, daß am Unfalltag an dieser Haltestelle ein Fahrgast aussteigen wollte. Zur Vermeidung lediglich abstrakter Gefahren dürfen konkrete Gefährdungen aber erst recht nicht in Kauf genommen werden.

Der Beklagte zu 1) konnte den Bus auch früher anhalten und durfte nicht mit fast der gesamten Fahrzeuglänge an den drängelnden Schülern vorbeifahren, weil dadurch deren Gefährdung deutlich erhöht wurde. Wie nämlich die erste Äußerung der Klägerin zeigt, die im übrigen mit den Angaben des Beklagten zu 1) übereinstimmt, kam die Klägerin nur deshalb zu Schaden, weil der Bus an der Gruppe, in der die Klägerin stand, vorbeifuhr. Deshalb wurde die Klägerin zurückgedrängt - in Richtung der hinteren Tür des B...

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