Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 20.01.2023; Aktenzeichen 9 O 274/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 2) wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 20.01.2023 - 9 O 274/21 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im Juni 2015 bestellte die Klägerin bei der ... GmbH das von der Beklagten zu 1) hergestellte Fahrzeug Porsche Cayenne mit der Fahrzeug-Ident.-Nr. ... als Neuwagen zu einem Kaufpreis von EUR 90.458,78. In dem Fahrzeug ist der Motor 3.0 TDI des Typs EA 897 (3-Liter Motor und EURO 6 Abgasnorm) verbaut, welcher von der Beklagte zu 2) hergestellt wurde.
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist Gegenstand eines amtlichen verpflichtenden Rückrufs durch das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA). In dem zugrundeliegenden Bescheid vertritt das KBA die Auffassung, in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp komme eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Darüber hinaus verfügte der damalige Bundesverkehrsminister noch im Juli 2017 ein Zulassungsverbot für bestimmte Fahrzeuge des Modells Porsche Cayenne Diesel V6 EU6.
Die Beklagte zu 1) wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 03.03.2021 aufgefordert, den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung zurückzuzahlen, dies Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Die Klägerin hat behauptet: Das Fahrzeug sei mit einer von der Beklagten zu 2) entwickelten unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, um im Testzyklus die zulässigen Abgaswerte zu erreichen. Es verfüge mit dem sog. A. E. C. D. (AECD) über ein Steuerungsgerät, dessen Software nicht nur auf den Rollenprüfstand abgestimmt sei, sondern gleichzeitig Funktionen besitze, die die Temperatur, die Geschwindigkeit des Fahrzeuges sowie die Umdrehungsgeschwindigkeit des Motors selbst feststellen. Das Fahrzeug sei so programmiert, dass es einen Testzyklus erkennen könne. So werde das Emissionskontrollsystem durch die Erkennung des Lenkwinkels abgeschaltet. Die von der Beklagten zu 2) verbaute Abschalteinrichtung setze die ausschließlich für den Prüfstand bestimmte Programmierung der Motorsteuerung in Modus 1 für den Fahrbetrieb auf der Straße außer Kraft mit der Folge, dass der Stickoxidausstoß im Fahrbetrieb auf der Straße höher sei als auf dem Prüfstand. Umgekehrt werde die im normalen Fahrbetrieb wirksame Programmierung etwa für die Abgasrückführung auf den Prüfstand außer Kraft gesetzt, indem die Motorsteuerung den sogenannten Modus 0, nämlich den Betriebsstand für den normalen Fahrbetrieb auf der Straße zu Gunsten eines ausschließlich über den Prüfstand betriebenen Modus ausschalte. Die Beklagten hätten sittenwidrig gehandelt und arglistig getäuscht und damit den nachteiligen Vertragsschluss kausal herbeigeführt. Erstmals im Januar 2018 im Rahmen der angeordneten Rückrufaktion habe die Klägerin von der Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfahren. Zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses sei der Klägerin die "Diesel-Thematik" nicht bekannt gewesen und hätte auch nicht auf ihr Fahrzeug bezogen werden können.
Die Klägerin hat mit der am 09.12.2021 eingereichten und beiden Beklagten am 05.01.2022 zugestellten Klage beantragt, 1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 56.989,03 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2021, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Porsche Cayenne, Fahrzeugident-Nr.: ... zu zahlen, 2. festzustellen, dass die Beklagten sich mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeuges Porsche Cayenne im Annahmeverzug befinden sowie 3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.230,00 EUR zu zahlen nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) hat behauptet: Das Fahrzeug sei nicht von der bei Motoren des Typs EA189 bekannt gewordenen Umschaltlogik betroffen. Ein Rückruf hinsichtlich einer unzulässigen Lenkwinkelerkennung liege beim streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vor. Der Vorwurf der Verwendung weiterer angeblich unzulässiger Funktionen gehe fehl und erfolge "ins Blaue hinein". Ein AECD-Steuergerät sei in dem Fahrzeug nicht verbaut. Es finde auch keine Leistungsreduzierung, die lediglich auf dem Prüfstand zu einer höheren Abgasrückführungsquote die Stickoxidwerte mindere, statt. In dem Fahrzeug komme kein unzulässiges Thermofenster zum Einsatz. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge auch über ein funktionsfähiges und den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes OBD-System. Alle...