Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Abgasskandal: Berufung auf die Einrede der Verjährung erstmalig in der Berufungsinstanz; Restschadensersatzanspruch gegen den Motorhersteller
Leitsatz (amtlich)
1. Eine erst in zweiter Instanz erhobene Verjährungseinrede ist vom Berufungsgericht zu berücksichtigen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind. (Rn. 35)
2. In der Konstellation des Erwerbs eines von einer Tochtergesellschaft des Motorherstellers hergestellten und in den Verkehr gebrachten Fahrzeugs, das mit einem vom Motorhersteller hergestellten und mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motor ausgestattet ist, scheidet ein Anspruch des Geschädigten auf Restschadenersatz nach § 852 S. 1 BGB gegen den Motorhersteller regelmäßig auch dann aus, wenn der Geschädigte das Fahrzeug als Neuwagen erworben hat (BGH, 14. Juli 2022, VII ZR 422/21). (Rn. 36)
Normenkette
BGB § 852 S. 1
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 19.11.2021; Aktenzeichen 11 O 130/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.11.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen (11 O 130/21) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Motorenherstellerin auf Schadenersatz in Form der Rückabwicklung wegen der behaupteten Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.
Der Kläger schloss am 28.11.2016 mit der ... Bank einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Neufahrzeuges Pkw Porsche Cayenne Diesel Platinum Edition zu einem im Darlehensvertrag eingetragenen Kaufpreis von 83.529,86 EUR (vgl. Anlage K1, Bl. 35 ff. LG). Unter Anrechnung einer Baranzahlung von 30.000,- EUR hatte das Darlehen einen Nennbetrag von 53.529,86 EUR; der Bruttokreditbetrag (inkl. Zinsen in Höhe von 5.008,63 EUR) belief sich auf 58.538,49 EUR. Die Laufzeit betrug 48 Monate, wobei die jeweilige monatliche Rate auf 610,48 EUR beziffert und die Zahlung einer Schlussrate in Höhe von 29.235,45 EUR vereinbart war. Dem Kläger stand ein verbrieftes Rückgaberecht für den Zeitpunkt der Beendigung des Darlehensvertrages mit der a.-Bank zu, welches der Kläger nicht in Anspruch nahm. Zur Anschlussfinanzierung schloss der Kläger bei der V.bank ... (vgl. Anlage K3, Bl. 39 ff. LG) einen Darlehensvertrag über 29.000,- EUR mit Verwendungszweck "Ablösung ... bank". Die Laufzeit betrug 48 Monate (47 monatliche Raten zu je 631,00 EUR sowie eine Schlussrate über 581,48 EUR).
Das streitgegenständliche Fahrzeug Porsche Cayenne mit der FIN ... ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 897 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 6 erteilt (EG-Typgenehmigungsnummer ... vom 17.03.2016, vgl. Anlage K2, Bl. 38 LG). In dem Fahrzeug sind zwei Technologien zur Reduktion des Stickoxidausstoßes eingesetzt. Es findet eine Abgasnachbehandlung in Form der Selective Catalytic Reduction (SCR) statt. Zudem wird ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Unterhalb und oberhalb bestimmter Außentemperaturen wird diese Abgasrückführung herabgesetzt (Thermofenster).
Das Fahrzeug unterlag einem verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) und der verbindlichen Anordnung zur Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware (KBA-Referenznummer 007256). Das KBA gab das Software-Update für die Fahrzeuge des Typs Porsche Cayenne 3.0 V6 TDI (EU6) mit Bestätigung vom 18.10.2017 frei.
Mit Anwaltsschreiben vom 17.02.2021 ließ der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 43.028,30 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges und Übertragung seines Anwartschaftsrechts unter Fristsetzung zum 17.03.2021 auffordern.
Mit beim Landgericht am 15.04.2021 eingegangenen und der Beklagten am 07.05.2021 zugestellten (Bl. 55 f. LG) Schriftsatz hat der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben.
Der Kläger hat behauptet, er habe mit dem Darlehensvertrag das streitbefangene Fahrzeug zum Preis von 83.529,86 EUR erworben. In diesem Fahrzeug seien unzulässige Abschalteinrichtungen enthalten, darunter das Thermofenster. Ferner existierten im Fahrzeug eine Prüfstandserkennung durch Aufwärmstrategie und Lenkwinkelerkennung sowie eine manipulierte Software für das Getriebe und eine manipulierte AdBlue-Einspritzung. Tatsächlich übersteige der NOx-Ausstoß des Fahrzeuges die gesetzlichen zulässigen Werte, sodass die angegebene Schadstoffklasse deutlich verfehlt werde.
Die Beklagte hat bestritten, dass dem Kläger ein Schaden...