Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung von Ausbildungsunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich wird bis zum Abschluss der Regelschule Ausbildungsunterhalt geschuldet. Bei Verzögerungen und Unterbrechungen dieser Ausbildung ist entscheidend, in wessen Risikosphäre sie fallen. Bei Schulversagen ist auf den Einzelfall abzustellen. Auch bei mehrmaligem Sitzenbleiben kann nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass der Anspruch auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt entfällt.
Bei der Einzelfallprüfung ist im Rahmen einer Interessenabwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien zu prüfen, ob dem Unterhaltsverpflichteten unter Beachtung aller den Fall prägenden Umständen es noch zumutbar ist, trotz des wiederholten Schulversagens Ausbildungsunterhalt zu zahlen. Zu Gunsten der Unterhaltsberechtigten kann sprechen, dass die Schulausbildung im Ausland erfolgt und der Schulunterricht nicht in der Muttersprache abgehalten wird.
Letztlich entscheidend ist, ob trotz der langen Schulzeit noch eine positive Erfolgsprognose gestellt werden kann.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2 S. 2, §§ 1610-1611
Verfahrensgang
AG Bonn (Urteil vom 17.02.2004; Aktenzeichen 42 F 107/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.2.2004 verkündete Urteil des AG - FamG - Bonn - 42 F 107/03 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht wehrt sich die Beklagte gegen die Annahme des FamG, dass ihr der Kläger seit August 2002 deswegen keinen Ausbildungsunterhalt mehr schulde, weil sie nicht ernsthaft und beharrlich einer ordentlichen Schulausbildung nachgehe und ihre Auskunfts- und Mitwirkungspflichten massiv verletzt habe.
Der Beklagten steht derzeit gegen den Kläger noch Ausbildungsunterhalt gem. §§ 1603 Abs. 2 S. 2, 1610 BGB jedenfalls in der titulierten Höhe zu. Der Verwirkungseinwand des Klägers ist zur Zeit noch unberechtigt. Zwar scheitert der Einwand jedenfalls bis November 2003 nicht allein schon daran, dass die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt noch zu den privilegierten Volljährigen gehörte. Der Ausschluss von Einwendungen ggü. Minderjährigen wirkt nämlich nicht ggü. gleichgestellten volljährigen Schülern, auch wenn sie nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB noch privilegiert sind, so dass der barunterhaltspflichtige Elternteil seine Zahlungen einstellen kann, wenn das Kind nicht wirklich die Schulausbildung wahrnimmt (vgl. Palandt/Diedrichsen, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1611 BGB Rz. 9, 10). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Nach Anhörung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung und Vorlage des letzten Abschlusszeugnisses für die 11. Klasse, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte zwar keine sehr erfolgreiche Schülerin ist, dass sie aber dennoch in der Vergangenheit ernsthaft die Schule besucht hat, um den allgemeinen Schulabschluss zu erreichen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Zeugnisse der Beklagten fast durchweg darauf hinweisen, dass die Beklagte sich intensiver um ihre Schulausbildung kümmern müsse. Andererseits ergeben sich aus den Zeugnissen keine überdurchschnittlichen Fehlzeiten, die ein Indiz dafür sein könnten, dass die Beklagte lediglich noch "pro forma" die Schule besucht, tatsächlich aber einer anderen (Erwerbs)Tätigkeit nachgeht. Auch soweit der Kläger der Beklagten vorwirft, sie habe ihre Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ganz massiv verletzt, führt dies nicht zu einer Verwirkung des Ausbildungsunterhaltes nach § 1611 BGB (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1611 Rz. 6).
Jedoch kann der Schüler den Ausbildungsunterhalt auch verwirken, ohne dass die Voraussetzungen des § 1611 vorzuliegen brauchen. Der Unterhaltsberechtigte hat nämlich ggü. dem Unterhaltsverpflichteten gem. § 1610 BGB die Obliegenheit, mit entsprechend disziplinierter Arbeit das Ausbildungsziel zu erreichen. Dazu gehört, dass er die lehrplanmäßigen Studienveranstaltungen absolviert, was dem Unterhaltsverpflichteten ggü. durch Vorlage von Zeugnissen zu belegen ist. Entspricht das Leistungsbild dem nicht oder bestehen zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten größere Lücken, entfällt der Unterhaltsanspruch (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. 2004, § 1610 Rz. 23). Grundsätzlich wird aber bis zum Abschluss der Regelschule Ausbildungsunterhalt geschuldet. Bei Verzögerungen und Unterbrechungen dieser Ausbildung ist entscheidend, in wessen Risikosphäre sie fallen. Bei Schulversagen ist auf den Einzelfall abzustellen. Einmaliges Sitzenbleiben reicht z.B. nicht aus, um von einer Obliegenheitsverletzung des Schülers auszugehen.
Auch wenn die Schulkarriere der Beklagten bisher unbestreitbar nicht gerade sehr erfolgreich verlaufen ist, kann man nach Auffassung des Senates die Beklagte noch nicht als endgültige Schulversagerin betrachten. Die Beklagte hat nunmehr endlich die 11. K...