Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Meinungsäußerung, die sich weder als Verletzung der Menschwürde, Formalbeleidigung noch Schmähkritik darstellt, erfordert eine Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und dem in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Persönlichkeitsrecht, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei der jedoch alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen und bei der es auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt.
2. Die auf die Person des Geschädigten abzielende Bezeichnung als "Gashahnaufdreher" stellt eine Ehrkränkung von erheblichem Gewicht dar, da dem so Bezeichneten nicht nur im Sinne eines "Mitläufers" die Eigenschaft eigenständigen Denkens und eigenverantwortlichen Handelns abgesprochen wird, sondern er mit der konkreten Wortwahl auch persönlich in die Nähe einer Ideologie vergleichbar mit derjenigen der Unterstützer des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gerückt und in direkten Zusammenhang mit einer nationalsozialistisch gesinnten Gruppe gebracht wird.
Normenkette
StGB § 185
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Beleidigung zum Nachteil des T. E. (Tat vom 18. Oktober 2017) freigesprochen worden ist;
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bonn hat den Angeklagten durch Urteil vom 22. August 2018 wegen Beleidigung in drei Fällen zu der Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt. Auf seine hiergegen gerichtete Berufung hat die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts Bonn das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte unter Freispruch im Übrigen wegen Beleidigung zum Nachteil der Geschädigten Elena Everding unter Einbeziehung der Einzelstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 13. März 2017 und der Einzelstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 25. September 2017 bei Auflösung der nachträglich durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 24. September 2018 in Verbindung mit dem Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 8. Oktober 2018 gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt wurde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit unter Einbeziehung der zwei im Tenor bezeichneten Einzelstrafen bei Auflösung der nachträglich gebildeten Gesamtstrafe auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt und soweit der Angeklagte vom Tatvorwurf der Beleidigung zum Nachteil des T. E. (Tat vom 18. Oktober 2017) freigesprochen wurde.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision beigetreten.
II.
Das Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsmittel hat vorläufigen Erfolg und führt gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts.
1.
Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte ist grundsätzlich zulässig, soweit der angefochtene Teil der Entscheidung einer selbständigen Prüfung und Beurteilung zugänglich ist und ein erneutes Eingehen auf den nicht angefochtenen Teil nicht notwendig ist (BGHSt 27, 70 ff; SenE v. 08.08.2000 - Ss 340/00 -; SenE v. 06.12.2005 - 81 Ss 58/05). Hiervon ausgehend ist die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der (allein) den Gegenstand der Verurteilung bildenden Tat vom 16./18. Januar 2018 (Beleidigung zum Nachteil der E. E.) wirksam auf die Rechtsfolge und - entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft - innerhalb der für diese Tat festgesetzten Rechtsfolge weitergehend und auch insoweit wirksam beschränkt, dass allein die Einbeziehung bzw. nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe mit den im Tenor des angefochtenen Urteils bezeichneten Erkenntnissen Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung sein soll. Darüber hinaus ist die Revision wirksam auf den erfolgten Freispruch wegen der Tat vom 18. Oktober 2017 zum Nachteil des T. E. beschränkt.
2.
Die Entscheidung der Kammer über die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB folgt den gleichen Regeln wie die Gesamtstrafenbildung nach Maßgabe der §§ 53, 54 StGB; sie soll den Täter weder besser noch schlechter stellen, als er gestanden hätte, wenn die neu abzuurteilende Tat zum Zeitpunkt von früheren Verurteilungen dem damaligen Tatrichter bekannt gewesen wären, so dass eine unerledigte Verurteilung Zäsurwirkung hat. Wenn die in mehreren Vorverurteilungen verhängten Strafen nicht erledigt sind, führt die Zäsurwirkung dazu, dass zunächst eine Gesamtstrafe mit der Strafe aus der frühesten Vorver...