rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht. Unechtes Versäumnisurteils gegen den Kläger im schriftlichen Vorverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Erlass eines sog. unechten Versäumnisurteils gegen den Kläger im schriftlichen Vorverfahren ist von § 331 Abs. 3 ZPO nicht gedeckt und stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 539 ZPO dar.

2. Wer die Vorbereitung eines Vertrages ganz oder teilweise einem Dritten überlässt, muss sich dessen arglistes Verhalten analog § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

 

Normenkette

ZPO § 128 Abs. 1, § 331 Abs. 3, § 539; BGB § 166 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 15 O 550/99)

 

Tenor

Auf den Einspruch der Beklagten wird das Versäumnisurteil des Senats vom 09.11.2000 aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das im schriftlichen Verfahren am 30. März 2000 ergangene Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 15 0 550/99 – aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.

Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.

 

Tatbestand

Sachverhalt:

Der Kläger, der von der Beklagten einen Lkw unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung gekauft hat, begehrt Schadensersatz wegen arglistigen Verschweigens von Fahrzeugmängeln und Fehlens zugesicherter Eigenschaften. Der Kammervorsitzende ordnete das schriftliche Vorverfahren an, ohne dass eine Verteidigungsanzeige gem. § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO einging. Darüber hinaus erteilte er dem Kläger den Hinweis, dass gegen die Schlüssigkeit der Klage Bedenken bestünden. Nachdem der Kläger im Hinblick darauf sein Vorbringen ergänzt hatte, wies das Landgericht die Klage im schriftlichen Vorverfahren ab, weil es weder die Zusicherung einer Eigenschaft noch eine arglistige Täuschung durch die Beklagte für hinreichend dargelegt hielt. Die Berufung des Klägers, der zunächst durch Versäumnisurteil stattgegeben wurde, führte nach Einspruch der Beklagten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

 

Entscheidungsgründe

Der gemäß §§ 542 Abs. 3, 338 ff. ZPO zulässige Einspruch der Beklagten hat nur teilweise Erfolg. Er führt zwar zur Aufhebung des gegen sie ergangenen Versäumnisurteils, nicht aber zur Zurückweisung der Berufung. Auf das Rechtsmittel des Klägers ist vielmehr das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, denn die erstinstanzliche Entscheidung leidet an wesentlichen Mängeln im Sinne des § 539 ZPO. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Das Landgericht hat, ohne daß die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlagen, im schriftlichen Verfahren entschieden und damit gegen den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 ZPO) verstoßen. Der Erlaß eines unechten Versäumnisurteils gegen den Kläger im schriftlichen Verfahren ist von § 331 Abs. 3 ZPO nicht gedeckt. Soweit von Teilen der Rechtsprechung und Literatur die Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise bejaht wird (vgl. die Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 331 Rn. 13), widerspricht dies nach Auffassung des Senats offenkundig dem Regelungszweck des § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Vorschrift befreit von dem Grundsatz der notwendigen mündlichen Verhandlung nämlich nur für den Fall, daß der Beklagte durch Nichtanzeige seiner Verteidigungsbereitschaft auf die Wahrnehmung seines Rechts auf rechtliches Gehör verzichtet hat. Die gegenteilige Auffassung wird zu Unrecht damit gerechtfertigt, daß die Vorschrift des § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO nur von „der” Entscheidung spreche, die das Gericht auf Antrag des Klägers ohne mündliche Verhandlung treffe, und mit der somit auch die Abweisung einer unzulässigen oder unschlüssigen Klage gemeint sei. Mit dieser Argumentation wird verkannt, daß „die” Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 331 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz ZPO dann nicht getroffen werden darf, wenn vor Eingang des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle noch eine Verteidigungsanzeige des Beklagten eingeht. Warum der nachträgliche Eingang einer Verteidigungsanzeige des Beklagten, dessen prozessualen Rechte durch eine Klageabweisung im schriftlichen Verfahren in keiner Weise beeinträchtigt werden, die Abweisung einer unzulässigen oder unschlüssigen Klage ohne mündliche Verhandlung hindern sollte, ist nicht ersichtlich. Dies ließe sich nur dann plausibel erklären, wenn § 331 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz ZPO dem Schutz desKlägers dienen würde. Dafür spricht nichts. Vielmehr soll allein der Beklagte davor geschützt werden, daß trotz einer Verteidigungsanzeige vor Übergabe des Urteils an die Geschäftsstelle eine ihm nachteilige Entscheidung ergeht. Ein anderes Verständnis der Vorschrift macht offenkundig keinen Sinn.

Der Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 539 ZPO dar.

2. Die danach gebotene Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ...

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