Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die Verletzung der sich aus § 60 Abs. 1 SGB I ergebenden Mitwirkungspflicht des Sozialleistungsempfängers kann eine Täuschungshandlung darstellen (hier: im Rahmen des Bezugs von ALG II).

  • 2.

    Die Angaben des Leistungsempfängers müssen so konkret sein, dass die Arbeitsverwaltung hieran Rechtsfolgen knüpfen kann

 

Normenkette

StGB § 263

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bergheim hat den Angeklagten durch Urteil vom 2. Dezember 2008 wegen Betrugs zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Köln ihn durch das angefochtene Urteil freigesprochen.

Es hat zum Sachverhalt festgestellt:

"Der Angeklagte bezog seit dem 02.08.2005 aufgrund seines Antrages vom selben Tag von der Arbeitsgemeinschaft S/F in C. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II). Ihm war bekannt, dass er verpflichtet war, Veränderungen in seinen Vermögensverhältnissen unverzüglich gegenüber der Arge anzuzeigen. Im August 2006 wurde der Angeklagte zweimal bei der Arge S/F vorstellig und teilte der zuständigen Sachbearbeiterin Frau I. mündlich mit, dass er demnächst Arbeit habe. Die Sachbearbeiterin verwies den Angeklagten darauf, dass er einen Arbeitsvertrag beziehungsweise eine Gehaltsabrechnung vorlegen müsse. Zum 01.09.2006 nahm der Angeklagte eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Firma NT- GmbH, N-T-Straße 5, XXXX L auf und war dort bis einschließlich Januar 2007, in der letzten Zeit allerdings nur noch als Aushilfe, tätig. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhielt der Angeklagte dort nicht. In der Zeit vom September 06 bis Januar 07 erhielt der Angeklagte weiter die Arbeitslosenhilfe in Höhe von insgesamt 3.301,84 Euro. Am 11.01.2007 ließ sich der Angeklagte einen Folgeantrag bei der Agentur für Arbeit ausstellen, den er am 06.02.2007 unterschrieb und danach einreichte. In diesem Folgeantrag machte er keine Angaben über das verdiente Einkommen. Der Angeklagte zahlt monatlich 80,-- Euro an die Arge zurück.

Diese Feststellungen beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten."

Diesen Sachverhalt hat die Strafkammer wie folgt rechtlich gewürdigt:

"Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen nicht wegen Betruges strafbar gemacht, da es an dem Tatbestandsmerkmal einer Täuschungshandlung fehlt. Der Angeklagte hat in seinen beiden persönlichen Vorsprachen der zuständigen Sachbearbeiterin gegenüber mitgeteilt, dass eine Arbeitsaufnahme bevorsteht. Damit ist er der ihm obliegenden Verpflichtung nachgekommen über eine Änderung seiner Verhältnisse Mitteilung zu machen. Zu einer schriftlichen Mitteilung war er insoweit nicht verpflichtet. Der Angeklagte hat das Tatbestandselement der Täuschung durch Unterlassung einer gebotenen Handlung auch nicht dadurch verwirklicht, dass er weder einen Arbeitsvertrag noch Gehaltsabrechnungen eingereicht hat. Eine Rechtspflicht zur Einreichung solcher Unterlagen besteht zwar möglicherweise nach § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I. Diesem Unterlassen kann aber objektiv nicht die Aussage beigemessen werden, es habe sich an den Anspruchsvoraussetzungen nichts geändert und der Angeklagte die angekündigte Arbeitsstelle nicht angetreten. Nachdem die zuständige Sachbearbeiterin die Mitteilung über die bevorstehende Arbeitsaufnahme erhalten hatte, war es ihre Entscheidung die Einstellung der Leistungen an die Vorlage der genannten Urkunden zu knüpfen.

Es bestand auch keine Rechtspflicht des Angeklagten, die Arge jeweils von den zu Unrecht erfolgten Überweisungen der Arbeitslosenhilfe in Kenntnis zu setzen. Der eingetretene Schaden beruht nicht aus dem vorangegangenen eigenen Tun des Angeklagten. Bei AntragsteIlung im August 2005 waren die Angaben des Angeklagten zutreffend. Zu dieser Zeit war der Angeklagte arbeitslos. Der eingetretene Schaden beruht danach allein darauf, dass es die zuständige Sachbearbeiterin unterlassen hatte, die Zahlungen einzustellen, nicht aber auf dem rechtlichen Verhalten des Angeklagten (vgl. OLG Köln, NJW 1984, 1979 f). Den Angeklagten traf auch keine Hinweispflicht unter dem Gesichtspunkt, dass er eine GarantensteIlung aus einem besonderen Vertrauensverhältnis inne hat. Das Verhältnis zwischen der Arge und dem Bezieher von Arbeitslosenhilfe ist ein (öffentlich/rechtliches) Verhältnis, das weder von gegenseitigem Vertrauen getragen ist noch ein gegenseitiges Vertrauen erfordert. Die beiderseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich allein aus dem Gesetz (BGH NJW a.a.O.).

Schließlich hat der Angeklagte auch nicht dadurch getäuscht, dass er in dem Folgeantrag nicht auf die Änderung seiner Einkommensverhältnisse hingewiesen hat. Zum Zeitpunkt der Unterschrift und der Einreichung dieses Folgeantrages...

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