Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragshändlervertrag im weiteren Sinne; internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (LG Köln anstelle des Handelsgerichts Prag); Anwendbarkeit deutschen Rechts; Untersuchungs- und Anzeigepflicht nach CISG
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen einer ausschließlichen Zuständigkeit gem. Art. 23 EuGVVO (Vertragshändlervertrag im weiteren Sinne).
2. Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO für einen Vertragshändlervertrag.
3. Anforderungen an die Untersuchungs - und Anzeigepflicht gem. Art. 38, 39 CISG.
Normenkette
HGB §§ 84 ff.; EuGVVO Art. 5, 23, 66; EGBGB Art. 27-28; CISG Art. 36, 38-39
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 01.09.2006; Aktenzeichen 16 O 726/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.9.2006 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Köln (16 O 726/05) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.754 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.3.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden der Klägerin zu 60 % und der Beklagten zu 40 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn der Gegner nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns und mangelhafter Warenlieferungen sowie die Herausgabe von Werkzeugen und macht einen Vertragshändlerausgleichsanspruch geltend.
Die Klägerin mit Sitz in X betreibt einen Handel mit Büroorganisationssystemen. Die Beklagte mit Sitz in der Tschechischen Republik stellt Archivierungsprodukte mit der Bezeichnung "Archiv-Solid-Board" her. Im Besitz der Beklagten befinden sich 14 Ausstanzwerkzeuge der Klägerin.
Die Parteien schlossen am 7./11.8.1997 einen als Liefervertrag bezeichneten Vertrag über die Herstellung von Archiv-Solid-Board-Produkten für Deutschland, Schweiz, Österreich und Benelux durch die Beklagte im Auftrag der Klägerin. In diesem Vertrag, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 167 ff. GA Bezug genommen wird, wurde als Erfüllungsort und Gerichtsstand Prag vereinbart.
Am 20.12.1999 schlossen die Parteien einen Jahresrahmenliefervertrag über die Lieferung von Archiv-Solid-Board-Produkten der Beklagten an die Klägerin. In diesem Vertrag, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 9/10 GA verwiesen wird, räumte die Beklagte der Klägerin die ausschließlichen Verkaufsrechte in Deutschland für diese Produkte ein, deren Lieferung nach ISO 9706 in einwandfreier Qualität, in geforderter Menge, zu konkurrenzfähigen Preisen und in der vereinbarten festgelegten Zeit erfolgen sollte. Als vertraglicher Standardumsatzwert wurde für das Jahr 2000 ein Mindestbetrag von 150.000 DM, für das Jahr 2001 von 200.000 DM und für das Jahr 2002 von 230.000 DM festgelegt. Als Zahlungsfrist wurde ein Zeitraum von 14 Tagen mit 2 % Skonto bzw. 30 Tagen nach Erhalt der Rechnung ohne Skonto vereinbart. Der Vertrag sah eine Befristung bis zum 31.12.2000 und eine Verlängerung um jeweils ein Jahr vor, sofern er nicht drei Monate zuvor schriftlich gekündigt wurde. Außerdem war ein sofortiges Kündigungsrecht "aus ernsten Gründen" vereinbart, zu denen u.a. eine Nichteinhaltung der Vereinbarung über die Bezahlung der Ware gehörte. Die sog. Präambel des Vertrags enthielt folgende Regelung: "Im Falle eines Streites bemühen sich beide Vertragsseiten eine Einigung zu erzielen. Wird diese nicht erreicht, hat jede Vertragsseite das Recht sich an das regionale Handelsgericht in Prag zu wenden." Nachdem die Klägerin sich geweigert hatte, einen von der Beklagten vorgeschlagenen Nachfolgevertrag abzuschließen, der u.a. eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung vorsah ("Die Rechtsbeziehungen gemäß diesem Vertrag richten sich nach der Rechtsordnung der Tschechischen Republik, zuständig für Lösung eventueller Streitigkeiten wäre das Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik und der Agrarkammer der Tschechischen Republik, bei der Entscheidung durch einen Schiedsrichter.") und wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 154 ff. GA verwiesen wird, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 12.12.2002 (Bl. 18/19 GA) die fristlose Kündigung des Vertrags vom 20.12.1999 zum 31.12.2002, welche sie mit "systematischen Verletzungen von vereinbarten Zahlungsbedingungen" begründete. Im Januar 2003 fand ein Gespräch zwischen den Parteien statt, bei dem kein Einvernehmen über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit erzielt werden konnte und dessen weiterer Inhalt streitig ist.
Die Klägerin hat mit der am 30.11.2005 beim LG Köln eingegangenen Klage von der Beklagten die Zahlung von insgesamt 69.443,51 EUR nebst Zinsen sowie die Herausgabe v...