rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Autorecht. Zur Frage der Überprüfungspflicht eines Gebrauchtwagenhändlers
Leitsatz (amtlich)
1. Den gewerblichen Gebrauchtwagenhändler trifft grundsätzlich eine generelle Untersuchungspflicht in Bezug auf den zu verkaufenden Gebrauchtwagen in Form einer Sichtprüfung.
2. Unterlässt der Gebrauchtwagenhändler die Sichtprüfung oder führt diese so oberflächlich durch, dass ansonsten erkennbare Mängel nicht erkannt werden, hat er hierüber den Kunden aufzuklären.
3. Unterlässt der Kfz-Händler die Aufklärung über die fehlende bzw. nur oberflächlich durchgeführte Sichtprüfung, rechtfertigt dies den Arglisteinwand mit der Folge, dass ein vertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nicht wirksam ist, wenn bei einer ordnungsgemäßen Sichtprüfung erkennbare Mängel erst nach Übergabe der Kaufsache durch den Kunden bemerkt wurden.
Normenkette
BGB § 463 S. 2, § 459 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 1 O 328/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.08.2000 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O 328/99 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte – Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 22.883,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.06.1999 Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Pkw, Marke O. M., Fahrgestellnr. …, Erstzulassung 22.12.1992, verurteilt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten gehen im Ergebnis fehl.
Der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 463 S. 2, 459 Abs. 1 BGB.
Der von dem Kläger bei der Beklagten gekaufte Pkw war bei Abschluß des Kaufvertrages und Übergabe mangelhaft. Es steht fest, daß das Kraftfahrzeug bei Übergabe jedenfalls Mängel an Lackierung und Blech aufwies. Diese Blech- und Lackschäden sind im wesentlichen die Mängel, auf die sich der Kläger im Berufungsverfahren noch beruft. Hierunter fallen nicht die geringfügigen Verkratzungen im Lack, die bei Abschluß des Kaufvertrages schon festgestellt worden waren. Vielmehr geht es um Blech-Lackschäden an der linken Fahrertür sowie der linken Hecktür und am linken Vorderkotflügel in Verbindung mit den nicht fachgerechter Beseitigung. Es handelt sich bei diesen nicht letztlich um Bagatellschäden. Auch ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens verfügt der Senat aufgrund einer Vielzahl anderer von ihm bereits entschiedener Sachverhalte, die die Beurteilung von Kfz-Schäden beinhalteten, über ausreichende Sachkunde, um feststellen zu können, daß die Schadensbeseitigung der genannten Mängel einen Kostenaufwand von deutlich über 1.000,00 DM erfordert. Von daher können die Mängel nicht mehr als geringfügig bezeichnet werden. Gerade auch im Hinblick darauf, daß die Ursache dieser nicht ganz unerheblichen Lack- und Blechschäden nicht mehr mit letzter Sicherheit festgestellt werden kann, mindern sie zusätzlich den Wert der gekauften Sache.
Damit stellt sich aber der Fehler der Kaufsache als so gravierend dar, daß er zur Geltendmachung von Schadensersatz gemäß §§ 463, 459 Abs. 1 BGB dahin berechtigt, daß Rückgängigmachung des Kaufvertrages unter Austausch der wechselseitig empfangenen Leistungen verlangt werden kann. Hierbei spielt insbesondere auch eine Rolle, daß die Blechschäden nicht optimal beseitigt worden sind und auch die Nachlackierung nicht in Ordnung ist, wie sich aus dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten ergibt.
Auf den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluß kann sich die Beklagte nicht berufen. Sei handelte nämlich bei Abschluß des Kaufvertrages im Rechtssinn arglistig.
Zwar kann nach dem Ergebnis der erstanzlichen Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, daß die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten bei Abschluß des Kaufvertrages positive Kenntnis von den Blech- und Lackschäden hatten. Die Beklagte hat aber bewußt gegen die ihr obliegende Untersuchungspflicht als Gebrauchwagenhändlerin verstoßen, die sie beim Verkauf eines Gebrauchwagens trifft und sich damit bewußt unwissend über das evt. Vorhandensein von Mängeln gelassen, was dem arglistigen Verschweigen eines Mangels gleichzusetzen ist, weil sie den Kläger als Käufer nicht darüber auf geklärt hat, daß sie den verkauften Pkw allenfalls einer ganz oberflächlichen Sichtprüfung unterzogen hatte, die nicht gewährleistete, daß eventuelle Mängel hätten erkannt werden können.
Daß den Gebrauchtwagenhändler beim Verkauf eines Gebrauchtwagens Untersuchungspflichten treffen können, ist in Rechtsprechung und Literatur unstreitig. Streit herrscht lediglich über den Umfang einer solchen Untersuchungspflicht, wobei teilweise zwischen „echter Untersuchungspflicht” (vgl. Reinking/Eggert, der Autokauf, 7 Aufl. 2000, Rd. 1112)...