Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beweisvereitelung liegt vor, wenn eine Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet bzw. vorenthält oder deren Benutzung erschwert oder verhindert.
2. Die Nichtwahrnehmung eines zum Erlass einer Geheimhaltungsverpflichtung sowie zur Übergabe geheimhaltungspflichtiger Unterlagen bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Hauptbevollmächtigten des Versicherungsnehmers stellt eine Beweisvereitelung seitens des Versicherungsnehmers dar (ausführlich Senatsurteil vom 01.09.2023 - 20 U 50/23, juris-Rz. 48 ff.).
3. Eine Beweisvereitelung kommt dagegen grundsätzlich nicht in Betracht, wenn bei einer Mehrfachvertretung des klagenden Versicherungsnehmers neben der Partei selbst mindestens ein Hauptbevollmächtigter bereit ist, sich zu der notwendigen Geheimhaltung nach § 174 Abs. 3 GVG verpflichten zu lassen.
Normenkette
GVG § 174 Abs. 3; VVG § 203
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 41 O 134/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 28. Juni 2023- 41 O 134/22 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht Bonn zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache vorläufigen Erfolg.
Die von dem Landgericht gegebene Begründung trägt die Abweisung der Klage gestützt auf den Vorwurf der Beweisvereitelung und eine sich daraus ergebende Beweislastumkehr zum Nachteil des Klägers nicht. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache auf den entsprechenden Hilfsantrag des Klägers nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
1. Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die von dem Kläger bestrittene materielle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen trifft (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Dezember 2015 - IV ZR 272/15, juris Rn. 21) und auf Grundlage des Parteivorbringens ein Sachverständigengutachten über die versicherungsmathematische Richtigkeit der den Prämienanpassungen für die Jahre 2020 bis 2022 zugrundeliegenden Kalkulationen einzuholen wäre.
a) Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast, anders als der Kläger meint, genügt. Ihrem Vortrag nebst den überreichten Anlagen lässt sich hinreichend entnehmen, wegen schwellenwertüberschreitender Veränderungen bei welcher Rechnungsgrundlage die Überprüfung und Anpassung der Beiträge jeweils erfolgt sein soll. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung (Bl. 78, Bl. 80 f. LGA) unter Bezugnahme auf die Anlage BLD 1 (Bl. 108 LGA) vorgetragen, dass Auslöser der Beitragsanpassungen jeweils geänderte Leistungsausgaben waren, und die auslösenden Faktoren für die streitgegenständlichen Anpassungen zudem konkret beziffert. Als Anlage BLD 2 (Bl. 109-117 LGA) hat sie zudem Tabellen vorgelegt, in denen sie die Berechnung der Beitragserhöhungen im Einzelnen aufschlüsselt. Schließlich hat sie eine tabellarische Übersicht (Bl. 453 - 460 LGA) der auf dem zunächst nur für das Gericht zur Verfügung gestellten USB-Stick enthaltenen, dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen mit weiteren Erläuterungen u.a. zum Grund des geltend gemachten Geheimhaltungsbedürfnisses zur Akte gereicht. Diese beziehen sich u.a. auch auf ein Limitierungskonzept.
b) Nicht durchgreifend ist auch der entgegengesetzte Einwand der Beklagten, der Kläger habe die materielle Unwirksamkeit erstinstanzlich nur beschränkt auf die Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Limitierungsunterlagen bestritten. Auf die entsprechende Nachfrage des Landgerichts (vgl. Bl. 416 LGA) hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. April 2023 (vgl. Bl. 423 LGA) klargestellt bzw. korrigiert, dass er die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmaßnahmen bestreiten wolle.
2. In berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht außerdem die grundsätzliche Notwendigkeit eines Geheimhaltungsbeschlusses nach § 174 Abs. 3 GVG bejaht, weil die Beklagte an den Unterlagen, die sie dem Treuhänder nach ihrem Vorbringen zur Überprüfung der Kalkulation der jeweiligen Prämienanpassungen nach § 203 Abs. 2 VVG zur Verfügung gestellt hat und die zum Gegenstand der sachverständigen Begutachtung zu machen wären, ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse geltend macht.
Der Kläger stellt ein berechtigtes Geheimhaltungsbedürfnis der Beklagten in Abrede, ohne sich jedoch mit deren Vorbringen und insbesondere deren Angaben in der Übersicht zu den auf dem USB-Stick befindlichen Unterlagen auseinanderzusetzen. Die Darlegung oder Feststellung einer besonderen Bedeutung der einzelnen konkret betroffenen Informationen für die wirtschaftliche Entwicklung des Versich...