Entscheidungsstichwort (Thema)
"Funktionsarzneimittel bei wissenschaftlichen Rätseln"
Leitsatz (amtlich)
Ein Präparat stellt sich nicht als Funktionsarzneimittel dar, wenn die anerkannten wissenschaftlichen Testreihen Belege für eine pharmakologische Wirkung nur bei Verwendung von Präparaten eines bestimmten Herstellers erbracht haben, aus den Testreihen mit konkurrierenden Präparaten anderer Hersteller, die den gleichen Wirkstoff (hier: Glucosaminsulfat) enthalten, sich derartige Belege aber nicht entnehmen ließen. Das gilt auch dann, wenn die Wissenschaft nicht plausibel erklären kann, worauf die unterschiedlichen Testergebnisse beruhen.
Es ist Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt worden, das Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens lautet I ZR 147/05.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; AMG §§ 2, 21; LBMG §§ 1, 2 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 25.07.2003; Aktenzeichen 81 O 38/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.7.2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 81 O 38/03 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, die Firma P Arzneimittel GmbH, ist ein deutsches Pharmaunternehmen. Sie gehört zur S-Unternehmensgruppe und vertreibt in der Bundesrepublik u.a. das als Arzneimittel zugelassene Präparat "E 200-S" mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat und der Indikation "Zur Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung bei leichter bis mittelschwerer Gonarthrose". Ein Dragee "E 200-S" enthält 250 mg Glucosaminsulfat. Die Dosierungsanleitung empfiehlt die Einnahme von 1 bis 2 Dragees dreimal pro Tag, also eine Tagesdosis zwischen 750 und 1.500 mg.
Die Beklagte vertreibt Glucosaminsulfat zur Nahrungsergänzung in der aus den Anlagen K 4 und K 5 ersichtlichen Aufmachungen. Dort ist die Rede davon, Glucosaminsulfat sei "zur Nahrungsergänzung" bestimmt. Die Verzehrempfehlung lautet für Glucosaminsulfat 250 mg "3 × 1 Kapsel täglich nach dem Essen" und führt damit zu einer Tagesdosis von 750 mg Glucosaminsulfat. Die Verzehrempfehlung für Glucosaminsulfat 500 mg lautet "2 × 1 Kapsel täglich nach dem Essen" und bedeutet damit eine Tagesdosis von 1.000 mg Glucosaminsulfat. Mit der Behauptung, die beiden von der Beklagten zur Nahrungsergänzung angebotenen Präparate besäßen pharmakologische Wirkung, hat die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadenersatzfeststellung in Anspruch genommen, die behaupteten Ansprüche aber anders als in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren 81 O 65/02 LG Köln = 6 U 140/02 OLG Köln nicht mehr darauf gestützt, wegen der konkreten Produktaufmachung und/oder sonstiger werblicher Auftritte präsentiere die Beklagte ihre Produkte als Arzneimittel.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes (im Einzelfall höchstens 250.000 EUR) zu unterlassen, die Präparate Glucosaminsulfat 250 mg und Glucosaminsulfat 500 mg mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat und einer Dosierungsempfehlung von 3 × 250 mg und 2 × 500 mg Glucosaminsulfat in Deutschland anzubieten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, solange für diese Produkte keine Zulassung nach §§ 21 ff. AMG vorliegt,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr - der Klägerin - Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die im Klageantrag zu 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, das sämtliche Empfänger der fraglichen Präparate und den Umfang und Rechnungswert der Lieferung enthält,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die im Klageantrag zu 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dabei die Auffassung vertreten, bei ihren Produkten handele es sich um Lebens- und nicht um Arzneimittel.
Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 90 ff. d.A.), hat das LG die Beklagte den Klageanträgen der Klägerin folgend zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt. Außerdem hat es ihre grundsätzliche Pflicht zur Leistung von Schadenersatz festgestellt. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Entscheidung des Senats vom 3.1.2003 in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren 6 U 140/02 OLG Köln = 81 O 65/02 LG Köln bezogen. Dort hatte der Senat die Entscheidung des LG als richtig bestätigt, wonach sich die damals angegriffenen Glucosaminsulfat...