Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 335/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.10.2020 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 335/19 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.457,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 78 % und die Beklagte zu 22 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 51 % und die Beklagte zu 49 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. 1. Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
a. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die durch die Versicherungsnehmer und Zedenten R. Q. und K. Q. erfolgten Abtretungen sind wirksam; insbesondere liegt keine Nichtigkeit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des RDG vor. Die Abtretungen sind auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig. Zur näheren Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten bekannten Urteile vom 02.10.2020 (Az. 20 U 60/20) und vom 09.10.2020 (Az. 20 U 35/20 sowie 20 U 105/20). Die dortigen Erwägungen gelten für den vorliegenden Fall entsprechend.
b. Im Hinblick auf den Vertrag der Versicherungsnehmerin R. Q. mit der Versicherungsscheinnummer N01 steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 132,90 EUR nebst Zinsen i.H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2020 zu.
aa. (1) Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt ein den Anspruch dem Grunde nach betreffendes Anerkenntnis der Beklagten zwar nicht darin, dass diese auf den Widerspruch hin mit Schreiben vom 22.05.2019 angekündigt hat, eine Rückabwicklung vorzunehmen und im Folgenden auch eine entsprechende Zahlung erbracht hat. Denn jedenfalls im Hinblick auf einen die bereits geleistete Zahlung überschreitenden Betrag kommt dem kein Erklärungswert zu.
Dem Grunde nach ergibt sich der Anspruch indes aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Vertrag im Policenmodell geschlossen worden ist. Der mit Schreiben vom 02.05.2018 übermittelte Widerspruch war wirksam. Insbesondere bestand das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. auch noch im Jahr 2018. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der Widerspruchsfrist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10 a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
(a) Vorliegend genügt die in dem mit "Wichtige Hinweise" überschriebenen Beiblatt zu dem Policenbegleitschreiben (Anlage K 2) enthaltene Widerspruchsbelehrung den Anforderungen nicht. Diese lautet:
Wie ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Genaue Angaben über Beginn und Ablauf der Frist enthält der Abschnitt "Können Sie nach Abschluss des Versicherungsvertrags dem Vertrag noch widersprechen?" in der beigefügten "Verbraucherinformation zu Fondsgebundenen Rentenversicherungen nach Tarif L. und L.Z". Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
Die Belehrung ist damit bereits inhaltlich fehlerhaft. Denn sie stellt für den Fristbeginn fälschlich nur auf den Erhalt des Versicherungsscheins, nicht aber auf die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation ab. Die Widerspruchsbelehrung ist auch nicht etwa deshalb ausreichend, weil wegen der genauen Angaben über Beginn und Ablauf der Frist auf die Verbraucherinformation Bezug genommen wird. Selbst wenn darin zutreffend darauf hingewiesen worden sein sollte, dass der Lauf der Frist erst mit Erhalt des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation beginnt, fehlt es diesem Hinweis dann nämlich jedenfalls an der erforderlichen drucktechnischen Hervorhebung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.02.2016, Az. IV ZR 175/15 - zitiert nach juris).
(b) Entgegen der Annahme der Beklagten liegt ein Fall des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, das der wirksamen Ausübung des Widerspruchsrechts noch im Jahre 2018 entgegenstehen könnte, nicht vor. Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs kann sich die Ausübung eines Vertragslösungsrechts bei Vorliegen besonders gravierender Ums...