Leitsatz (amtlich)
1. Unter den Begriff der "Angabe" im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG können nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung auch Meinungsäußerungen fallen.
2. Die Mitteilung eines Unternehmens an einen Verbraucher, dass der Widerruf eines Vertragsabschlusses zurückgewiesen werde, kann als Darstellung einer Rechtsansicht zulässig sein, auch wenn das Widerrufsrecht tatsächlich besteht.
Normenkette
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Fall 2 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 84 O 164/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.07.2022 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 164/21 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die konkret im Antrag in Bezug genommene Mitteilung gegenüber einer Verbraucherin, ein Widerrufsrecht bestehe nicht, eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt.
Beide Parteien sind jeweils im Bereich der Erbenermittlung tätig und schließen entsprechende Verträge mit Verbrauchern.
Das Modell der Beklagten stellt sich wie folgt dar: Die Beklagte erhält von einem Nachlasspfleger oder dem Nachlassgericht den Auftrag, einen Erben zu ermitteln, wenn diese Ermittlung sich als besonders schwierig darstellt. Wenn die Beklagte einen Erben gefunden hat, bietet sie diesem den Abschluss eines Erbenermittlungsvertrags an. Hierzu schreibt sie den ermittelten Erben im Regelfall an und macht ein schriftliches Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages. Hierfür wird eine Provision zwischen 20% und 35% der Erbschaft vorgeschlagen, was der angeschriebene Erbe annehmen kann. Im Regelfall erfolgt der Vertragsschluss auf dem schriftlichen Weg.
Gemäß dieser üblichen Praxis schrieb die Beklagte am 21.05.2021 Frau Andrea I., eine Verbraucherin, an, um dieser einen Erbenermittlungsvertrag in der Nachlasssache Elsa L. anzubieten. Das übersandte Angebot enthielt auch eine Widerrufsbelehrung. In dem Erbenermittlungsvertrag war die Zahlung einer Provision in Höhe von 33,33 % brutto des Erbschaftswertes vorgeschlagen. Auf das Schreiben der Beklagten vom 21.05.2021 (Anlage K2) wird ergänzend Bezug genommen.
Das Angebot vom 21.05.2021 wurde von Frau I. nicht angenommen. Vielmehr machte sie am 17.06.2021, unter Änderung des ursprünglichen Angebots, in einem Brief ein Gegenangebot, indem sie den Prozentsatz der Vermittlungsgebühr händisch auf 22 % änderte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.06.2021 (Anlage K3) Bezug genommen.
Dieses Gegenangebot wurde seitens der Beklagten am 18.06.2021 angenommen, indem neben dem neuen Prozentsatz der Vermerk "Neues Honorar bestätigt. [Ort], 18. Juni 2021, Unterschrift" angebracht wurde. Dieses Annahmeschreiben wurde auf dem Postweg an Frau I. zurückgeschickt. Auf Anlage K3 wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 25.06.2021 erklärte Frau I. den Widerruf des geschlossenen Vertrages (Anlage K 4).
Mit Schreiben vom 28.06.2021 wies die Beklagte den Widerruf mit folgender Begründung zurück:
((Abbildung))
Ergänzend wird auf das als Anlage K1 vorgelegte Schreiben Bezug genommen, das auch zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemacht worden ist.
Unter dem 08.09.2021 mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos ab.
Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, das Schreiben vom 28.06.2021 sei irreführend, weil die Beklagte ein tatsächlich bestehendes Widerrufsrecht nach § 312g BGB, 312d BGB, 312 f BGB leugne.
Die Klägerin hat beantragt, wie folgt zu erkennen:
Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern das Bestehen des Widerrufsrechts eines im Fernabsatz geschlossenen Erbenermittlungsvertrags zu leugnen, wenn tatsächlich ein Widerrufsrecht besteht, wenn das geschieht wie in dem Schreiben vom 28.06.2021 gegenüber Frau I. (Anlage K 1).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.002,41 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung gewesen, die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Jedenfalls sei die Äußerung nicht irreführend, was die Beklagte weiter ausgeführt hat.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Allerdings sei die Klage zulässig. Insbesondere bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Es handele sich n...