Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Klausel einer Bank über die Einführung von Negativzinsen
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.05.2022; Aktenzeichen 3-06 O 3/22) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.05.2022, Az. 3-06 O 3/22, wird der Maßgabe zurückgewiesen, dass
1. es im Tenor zu I. statt "wird untersagt" heißt: "[...] wird verurteilt, es zu unterlassen" und
2. der Tenor zu III. wie folgt gefasst wird:
"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 243,51 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.02.2022 zu bezahlen."
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des gleichen Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin und Berufungsbeklagte (nachfolgend: Klägerin) ist die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherzentrale X (e.V.) (Anlage K1).
Die Beklagte und Berufungsklägerin (nachfolgend: Beklagte) betreibt als "Online Broker" europaweit eine Plattform zum Handel mit Finanzinstrumenten. Ihre Kunden verfügen neben einem Depotkonto auch über ein Geldkonto (auch: Referenz- oder Cashkonto) zur Abwicklung von Geldtransfers (Zahlung von Kaufpreisen und Gebühren im Zusammenhang mit Handelsgeschäften, Erlösgutschriften, etc.).
Mit Schreiben vom 02.03.2017 teilte die Beklagte (noch unter ihrer alten Firma) ihren Bestandskunden, darunter der Kunde A, unter dem Betreff "Information zur Einführung von Negativzinsen auf Guthaben" unter Verweis auf von Banken und Broker seit einiger Zeit an die Europäische Zentralbank zu zahlende "Strafzinsen" von 0,40 % p.a. mit (zu den Einzelheiten, vgl. Anlage K4):
"[...] Aus diesem Grund sehen wir uns gezwungen, Ihnen ab dem
15. März 2017
den Negativzins in Höhe von derzeit 0,40% p.a. (Rechnungsabschluss vierteljährlich) auf Ihre bei der [Beklagten] gehaltenen Guthaben weiter zu berechnen und Ihr Cashkonto mit dem ausmachenden Betrag zu belasten. [...]
Sofern Sie sich für den Verbleib Ihrer Guthaben bei der [Beklagten] entscheiden und Ihre Konten ab dem 15. März 2017 einen Habensaldo aufweisen, erachten wir dies als Ihr Einverständnis zur vorstehend dargestellten Belastung Ihrer Guthaben mit dem Negativzins. Es bedarf dann keiner weiteren Mitteilung durch Sie an uns. [...]."
Mit Schreiben "An alle Kunden" informierte die Beklagte am 27.03.2017 unter dem Betreff "Anpassung des Preis- und Leistungsverzeichnisses zum 1. Juni 2017" unter anderem über folgende Änderung ihres Preis- und Leistungsverzeichnisses (zu den Einzelheiten, vgl. Anlage K5):
"'Guthabenzins (freibleibend) ** minus 0,4 % p.a."
Da das Geldkonto des Kunden A ab dem 15.03.2017 Guthaben aufwies, belastete die Beklagte es in der Folgezeit mit 0,4 % Negativzinsen.
Ab dem 01.03.2020 belastete sie das Depot des Kunden A auf Grund einer Änderung ihres Preis-Leistungs-Verzeichnisses (nachfolgend: PLV) außerdem mit Depotgebühren in Höhe von 0,1 % p.a. des Depotwerts.
Mit Schreiben vom 13.07.2021 forderte der Kunde A die Beklagte zur Rückerstattung von seit der Depoteröffnung "überbezahlten" Entgelten in Höhe von insgesamt 451,49 Euro auf, von denen 52,33 Euro auf Depotgebühren und 399,16 Euro auf Negativzinsen entfielen. Er schrieb (zu den Einzelheiten, vgl. Anlage K2):
"[...] im Zusammenhang mit dem unten bezeichneten Depot haben Sie mir seit Depoteröffnung mittels Änderungen Ihrer AGB bzw. des Preis- und Leistungsverzeichnisses erhöhte Entgelte berechnet.
Der Bundesgerichtshof hat am 27.04.2021 (Az. BGH XI ZR 26/20) Allgemeine Geschäftsbedingungen der Postbank für unzulässig erklärt, die in der Vergangenheit branchenweit als Grundlage für zahlreiche Vertragsänderungen dienten. Dabei war das Schweigen als Zustimmung des Vertragspartners gewertet worden. Die Einführung und Erhöhung von Gebühren z.B. für Kontoführung, Kontoauszüge, Giro- und Kreditkarten, Daueraufträge oder Verwahrung ist - soweit sie wie hier auf der Verwendung identischer oder vergleichbarer unzulässiger Klauseln beruht - unwirksam. Eine aktive Zustimmung im Sinne einer gesonderten Erklärung als Vertragsänderung zu neuen Entgelten oder Entgelterhöhungen habe ich nicht erteilt. [...]."
Die Beklagte antwortete ihm mit Schreiben vom 30.09.2021 (zu den Einzelheiten, vgl. Anlage K3).
"[...] Die vertragliche Grundlage für die Berechnung des negativen Guthabenzinses ist eine im März 2017 mit Ihnen individuell getroffene Vereinbarung; die entsprechenden Unterlagen haben wir in Ihr Dokumentenarchiv der WebFiliale eingestellt. Die negative Verzinsung von Guthaben wurde nicht über eine Änderung des Preis- und Leistungsverzeichnisses in unsere Geschäftsbeziehung mit Ihnen eingeführt, we...