Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtzeitiger Wechsel von natürlicher Geburt zum Kaiserschnitt bei makrosomem Kind

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Fehleinschätzung des zu erwartenden Geburtsgewichtes bei einem makrosomen Kind von 4150 Gramm anstelle von 4650 Gramm bedeutet keinen Behandlungsfehler.

2. Bei einem geschätzten Geburtsgewicht von 4150 Gramm besteht keine Indikation für einen primär durchzuführenden Kaiserschnitt. Dies gilt auch und erst recht für das Jahr 2004. Aus dem Hinweis "zur Abklärung/zum Ausschluss Makrosomie" bei der Einweisung durch die betreuende Frauenärztin folgt nichts anderes.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 02.04.2014; Aktenzeichen 25 O 326/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 2.4.2014 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 326/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger zu 1. nimmt die Beklagte wegen des Vorwurfs von Behandlungsfehlern im Rahmen seiner Geburt und wegen unzureichender Aufklärung der Klägerin zu 2. auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger Schäden in Anspruch.

Die Klägerin zu 2. stellte sich am 29.7.2004 in der 40. SSW abends um 18:30 Uhr nach vorangegangenem Blasensprung um 17.00 Uhr im Hause der Beklagten zur Geburt vor. Im Rahmen der Schwangerschaft war bei einem Ultraschall in der 21. SSW ein ermitteltes Kopfmaß des Fötus oberhalb der 95. Perzentile festgestellt worden. In der 34. SSW vermerkte die behandelnde Frauenärztin in der Schwangerschaftskarte "Makrosomie" und trug in die Überweisung der Klägerin zu 2. an das Krankenhaus in der 40. SSW "z.A. Makrosomie" ein. In den Behandlungsunterlagen der Beklagten findet sich für den Einweisungstag u.a. der Eintrag: "kräftiges K[in]d (etwa 4150 g...gefüllt)". Des Weiteren ist ein Aufklärungsgespräch über das Risiko der Schulterdystokie mit Claviculafraktur, Oberarmfraktur, Plexusparese bis hin zu Sauerstoffmangel und Kindstot in den Behandlungsunterlagen dokumentiert. Weiterhin heißt es wörtlich: "Sectiorisiken besprochen ≫ Grav[ida] wünscht Spontanversuch ggf. bei protr[ahiertem] Verlauf großz[ügige] Indikation z. Sectio; Abwarten ggf. Antibiose u. morgen früh Einleitung.. [...]". Neben dem genannten Schätzgewicht sind auf dem Befund des nach Aufnahme der Klägerin gefertigten Ultraschalls u.a. ein Kopfdurchmesser von 10,1 cm und ein Kopfumfang von 35 cm dokumentiert. Am Abend begann eine unregelmäßige Wehentätigkeit; regelmäßige Wehen sind ab etwa 0:30 Uhr in der Krankenakte dokumentiert. Die Klägerin zu 2. wurde um 3.23 Uhr auf eigenen Wunsch mit ihrem Bett in den Kreißsaal geschoben. Für 6.10 Uhr ist dokumentiert: "Frau M. mutlos, hat sich übergeben, steht im Wehenzimmer". Es wurden eine Akupunktur durchgeführt und homöopathische Präparate verabreicht. Für 9:30 Uhr ist vermerkt: "Gespräch mit Patientin, ist mäßig motiviert, bedingt durch Geburtsdauer und Schmerzen". Sodann wurde um 9:30 Uhr eine Buscopan-Infusion verabreicht und im Anschluss eine Spinalanästhesie gelegt. Für 11:20 Uhr ist dokumentiert: "Buscopantropf, Restinfusion i.V. Gravida ist z.Zt. ganz guten Mutes, möchte nochmal zuwarten". Für 13:15 Uhr wurde als Ergebnis einer vaginalen Untersuchung vermerkt und festgehalten, dass der Muttermund 4-5 cm dickwulstig und etwas weicher war, aber kein Druck durch den vorangehenden Teil, der fest auf dem Beckeneingang sitze, auf den Muttermund ausgeübt wurde. Nachdem um 14:50 Uhr der Muttermund bei erneuter Untersuchung als noch dickwulstiger und eine beginnende Kopfgeschwulst festgestellt wurde "bei spitz eingestelltem vorangehenden Teil", wurde wegen Geburtsstillstands in der Eröffnungsperiode und Verdacht auf relevantes Missverhältnis um 15.00 Uhr die Indikation zum Kaiserschnitt gestellt. Für 15:35 Uhr ist diesbezüglich ein Aufklärungsgespräch dokumentiert. Um 16:40 Uhr wurde der Kläger zu 1. geboren und hatte Apgar- Werte von 9/10/10. Der geburtsnahe U 2- Befund war regelgerecht und es wurde ein "gesundes Neugeborenes" dokumentiert. Der Erstbefund durch den Kinderarzt ergab einen altersgemäßen neurologischen Entwicklungsstatus bei bestehender atopischer Dermatitis. Der Kläger zu 1. wurde in den Folgejahren aufgrund von Auffälligkeiten verschiedenen Behandlern, insbesondere Heilpraktikern, Osteopathen, Ergotherapeuten und Homöopathen vorgestellt, die einzelne Befunde erhoben, deren Ergebnisse zwischen den Parteien streitig sind.

Die Kläger haben behauptet, dass es einen Behandlungsfehler darstelle, dass die Ärzte im Hause der Beklagten nicht unmittelbar nach Eintreffen der Klägerin zu 2. in der Klini...

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