Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 03.09.2014; Aktenzeichen 23 O 440/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3.9.2014 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Köln - 23 O 440/12 - teilweise abgeändert und die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor einer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zur Vollstreckung anstehenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin und die beklagte Versicherungsgesellschaft sind durch einen Vertrag über eine Krankheitskostenvollversicherung miteinander verbunden. Die Parteien streiten über die Erstattung der Kosten von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
Die am 11.9.1982 geborene Klägerin ist Trägerin des so genannten Gorlin-Goltz-Syndroms, einem erblichen Leiden. Sie und ihr Lebensgefährte ließen drei In-vitro-Fertilisationen (IVF) verbunden mit intrazytoplasmatischen Spermieninjektionen (ICSI) einschließlich Maßnahmen einer Polkörperdiagnostik durchführen.
Die Klägerin hat behauptet, sie leide unter einer primären Sterilität. Bei ihrem Partner lägen keine andrologischen Auffälligkeiten vor. Aufgrund der erblichen Erkrankung sei im Rahmen der Kinderwunschbehandlung eine IVF/ICSI-Behandlung mit Polkörperdiagnostik notwendig, um Eizellen auszusondern, die die schädliche Gen-Mutation aufwiesen. So solle erreicht werden, dass nur Eizellen befruchtet würden, die die Mutation nicht enthielten, und dass die angestrebte Schwangerschaft die Erkrankung nicht auf das Kind übertrage.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie
1) 35.717,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 4.4.2012,
2) außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.12.2012 und
3) 50 EUR nicht erstattungsfähige Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte hat den Antrag gestellt, die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass die Klägerin unter einer primären Sterilität leide, und vorgetragen, Verursacher der Kinderlosigkeit sei der Partner der Klägerin. Eine ICSI sei aus weiblicher Indikation nicht denkbar, allerdings notwendiger Bestandteil der Polkörperdiagnostik. Eine Behandlung der versicherten Person liege jedoch nicht vor, wenn die künstliche Befruchtung auf dem Wunsch beruhe, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Hier werde vorbeugend eine Untersuchung an den Chromosomen eines noch nicht geborenen Kindes vorgenommen und nicht eine Untersuchung der Klägerin selbst. Sämtliche für die Polkörperdiagnostik eingereichten Rechnungen seien daher von vornherein nicht erstattungsfähig.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben. Unter Abweisung der weiter gehenden Klage hat es der Klägerin einen Zahlungsbetrag in Höhe von 32.437,23 EUR nebst Zinsen aus einem Betrag von 21.386,72 EUR seit dem 6.4.2012 sowie aus weiteren 11.050,51 EUR seit dem 14.5.2013 sowie den mit Klageantrag zu 3 geforderten Betrag von 50 EUR zugesprochen. Soweit es der Klage entsprochen hat, hat das LG seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klägerin könne von der Beklagten die Erstattung der aufgrund ihrer genetischen Disposition verursachten Kosten der Polkörperdiagnostik verlangen. Um die entsprechenden genetischen Untersuchungen durchführen zu können, sei unstreitig eine IVF/ICSI-Behandlung erforderlich. Daher komme es nicht mehr darauf an, ob diese auch aufgrund einer primären Sterilität der Klägerin medizinisch notwendig gewesen seien.
Gemäß § 1 Abs. 2 der dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sei Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.
Nach Auffassung der Kammer liege dann, wenn aufgrund der genetischen Disposition des Versicherungsnehmers aus medizinischer Sicht eine Polkörperdiagnostik veranlasst sei, um die Übertragung eines genetischen Defekts auf das ungeborene Kind zu verhindern, ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vor. Mit dem genetischen Defekt sei eine negative Abweichung des tatsächlichen gesundheitlichen Zustands der Klägerin als Versicherungsnehmerin gegeben. Die Ansicht der Beklagten, die Untersuchung beziehe sich nicht auf die Klägerin selbst, sondern auf das ungeborene Kind, verkenne, dass im Zeitpunkt der Untersuchung ein Kind weder tatsächlich noch im Rechtssinne existiere. Die Untersuchung werde einzig und allein am Körper der Mutter durchgeführt. Es bestehe daher kein Zweifel, dass es sich um eine Behandlung bzw. Untersuchung der Klägerin selbst gehandelt habe. Nichts Anderes erg...