Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 30 O 266/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das am 16.07.2019 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 30 O 266/18 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 20.610,45 EUR festgesetzt (Berufung des Klägers = 1.610,45 EUR; Berufung der Beklagten = bis zu 19.000 EUR).
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Eine Darstellung des Sachverhalts ist gemäß den §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO entbehrlich.
B. Von den beidseits zulässigen Berufungen hat allein die der Beklagte Erfolg und dies im vollen Umfang.
Dem Kläger stehen im Hinblick auf den Kauf des streitgegenständlichen Audi A 2,0 TDI am 27.10.2016 keine Schadensersatzansprüche gemäß § 826 BGB zu. Zum einen fehlt es bereits an einem objektiv sittenwidrigen Schädigungsverhalten der Beklagten (s. dazu I.) und zum anderen auch an der Kausalität einer - unterstellten - sittenwidrigen Schädigung der Beklagten für die konkrete Kaufentscheidung des Klägers (s. dazu II.).
I. Die Beklagte hat sich zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs am 27.10.2016 nicht mehr objektiv sittenwidrig schädigend verhalten.
Unabhängig davon, ob man bezüglich des sittenwidrigen Verhaltens auf den Umstand der Herstellung und Inverkehrgabe des von der Beklagten produzierten und vertriebenen Dieselmotors des Typs EA 189 oder auf die unterlassene Aufklärung über den Einsatz der streitgegenständlichen Software abstellt, ist diese sittenwidrige Schädigung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses (vgl. BGH NJW-RR 2013, 1448, 1449 Rz. 13; OLG Celle, Beschl. v. 27.05.2019 - 7 U 335/18 = BeckRS 2019, 14991 Rz. 21) am 27.10.2016 jedenfalls dadurch entfallen, dass die Beklagte schon geraume Zeit zuvor bekannt gegeben hatte, dass die Abgaswerte des Motors durch eine Software manipuliert wurden.
1. Ein sittenwidriges Verhalten verliert dann seine Wirkung, wenn der Schädiger durch Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse dem zuvor durch sein sittenwidriges Verhalten angesprochenen Verkehrskreis die Informationen verschafft, die es diesem ermöglicht, auch die vermögensnachteiligen oder -gefährdenden Folgen des intendierten Vertragsschlusses zu erkennen. In einem solchen Fall späterer Aufklärung und Hinweise an die Öffentlichkeit liegt schon kein fortwirkendes sittenwidriges Verhalten mehr vor (s. Senat, Beschl. vom 27.11.2019 - 16 U 81/19; ferner OLG Koblenz Urt. vom 2.12.2019 - 12 U 1044/19 = BeckRS 2019, 32689 Rn. 47; OLG Stuttgart Urt. vom 22.10.2019 - 10 U 199/19, NZV 2020, 196).
2. Die gebotene Klarstellung seitens der Beklagten ist bis zum hier maßgeblichen 27.10.2016 erfolgt. Denn sie hat bezüglich des von ihr produzierten und von ihrer Konzerntochter AUDI AG in den streitgegenständlichen Audi A eingebauten Motors EA 189 bis zum 27.10.2016 die Öffentlichkeit hinreichend informiert und damit für Kaufinteressenten die Softwaremanipulation offen gelegt. Dies steht aufgrund folgender im hiesigen Verfahren eingeführter und im Übrigen allgemein oder jedenfalls gerichtsbekannter Umstände fest:
a. Die Beklagte hat am 22.09.2015 eine sogenannte Ad-hoc-Mitteilung und eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der Software-Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Abgaswerte bei Motoren des Typs EA 189 im realen Fahrbetrieb eingeräumt wurden. In der Pressemitteilung heisst es insbesondere: "Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist.". Allgemein bekannt folgte hierauf eine nahezu omnipräsente Berichterstattung in sämtlichen Medien über den Einsatz manipulierter Dieselmotoren durch die Beklagte, über die Betroffenheit deutscher Fahrzeugmarken und über die Verantwortung maßgeblicher Vertreter der Beklagten.
b. Am 02.10.2015 informierte die Beklagte im Rahmen einer Pressemitteilung über die Einrichtung einer Internetseite, die eine Suche nach von der Manipulation betroffenen Fahrzeugen der Beklagten unter Eingabe der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (= FIN) ermöglichte. Dabei veranlasste die Beklagte auch, dass ihre Konzerntochter AUDI AG eine entsprechende FIN-Webseite zur Verfügung stellte und die Öffentlichkeit darüber mittels einer Pressemitteilung informierte. Auch über die Freischaltung der Webseiten wurde im Folgenden in den Medien ausführlich berichtet.
c. Mit Pressemitteilungen vom 15.10.2015 und 22.10.2015 unterrichtete die Beklagte über den Rückruf von insgesamt 2,4 Millionen ihrer Fahrzeuge durch das Kraftfahrtbundesamt.
d. In einer weiteren Pressemitteilung vom 25.11.2015 stellte die Beklagte die mit dem Kraftfahrtbundesamt erarbeiteten technischen Maßnahmen hinsichtlich der betroffenen EA 189-Dieselmotoren vor und verzichtete sie zudem "ausdrücklich bis zum 31. Dezember 2016 auf die Erhebung d...