Leitsatz (amtlich)
Hat ein Versicherer seinen Versicherungsnehmer teilweise entschädigt und ist dessen Schadensersatzanspruch insoweit gem. § 67 VVG auf ihn übergegangen, so kann er auch die ihm von diesem abgetretene Restforderung erlaubnisfrei gem. Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG einziehen (im Anschluss an OLG Oldenburg TranspR 2003,76).
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 15.09.2003; Aktenzeichen 44 O 12/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.9.2003 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Aachen - 44 O 12/01 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Frachtführerin aus abgetretenem Recht der Empfängerin, der Firma G. M. D. GmbH in B., auf Schadensersatz wegen des Verlustes eines Pakets mit Speichermodulen auf dem Transportweg von Frankreich nach Deutschland i.H.v. 30.733,96 Euro nebst Zinsen in Anspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des LG Aachen im angefochtenen Urteil vom 15.9.2003 (Bl. 211 ff. der Akte) Bezug genommen. Das LG hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte sei gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR zur Zahlung des zuerkannten Betrages verpflichtet. Die Klägerin sei aufgrund der Abtretung der Firma G. M. D. GmbH gem. Art. 13 CMR aktivlegitimiert. Die Abtretung sei nicht gem. § 134 BGB wegen Verstosses gegen § 1 Rechtsberatungsgesetz nichtig. Es sei bewiesen, dass das auf dem Transportweg verlorengegangene Paket 480 Module enthalten habe; denn es seien drei Pakete mit insgesamt 2000 Modulen versandt worden, so dass anzunehmen sei, das in dem in Verlust geratenen Paket bis zu 1/3 der Gesamtmenge gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten. Sie hält daran fest, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, da die Abtretung gem. § 134 BGB, Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz nichtig sei. Ferner habe das LG zu Unrecht den von der Klägerin behaupteten Paketinhalt als erwiesen angesehen. Es sei nicht das geringste dafür ersichtlich, dass alle drei Pakete in etwa die gleiche Anzahl von Modulen enthalten hätten.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen und meint, das LG habe hinsichtlich des Paketinhalts eine nach § 287 ZPO zulässige Schadensschätzung vornehmen dürfen.
Der Senat hat gemäß dem Beweisbeschluss vom 13.1.2004 (Bl. 191) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.4.2004 (Bl. 314 f.) Bezug genommen.
II. Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat zu Recht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Soweit sie den Schaden i.H.v. 50.000 DM reguliert hat, ist sie gem. § 67 VVG aktivlegitimiert. Der Zeuge T. hat glaubhaft bestätigt, dass die Klägerin als alleiniger Versicherer der Empfängerin 50.000 DM im Wege der Verrechnung geleistet hat. Bezüglich des 50.000 DM übersteigenden Restbetrages von 10.110,40 DM ist die Klägerin aufgrund der Abtretungserklärung der Empfängerin vom 12.7.1999 aktivlegitimiert. Die Abtretung ist nicht gem. § 134 BGB wegen Verstosses gegen Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz nichtig. Insoweit schliesst sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des OLG Oldenburg (OLG Oldenburg, Urt. v. 11.10.2001, TranspR 2003, 76 ff.) an, wonach die Einziehung von abgetretenen Schadensersatzansprüchen durch den Transportversicherer des jeweils materiell Ersatzberechtigten gem. Art. 1 § 5 Rechtsberatungsgesetz erlaubnisfrei ist. Denn diese Rechtsbesorgung steht mit einem Geschäft des Gewerbebetriebes des Versicherers in unmittelbarem Zusammenhang und stellt sich insoweit als eine untergeordnete Hilfstätigkeit dar, die eine sachgerechte und beschleunigte Abwicklung des Versicherungsgeschäfts und die Regulierung eingetretener Schäden ermöglicht. Der BGH hat die Annahme der Revision gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 15.8.2002 abgelehnt. Auch das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 9.10.2002, TranspR 2003, 107 f. Assekuradeure, die insb. an den Seeplätzen Hamburg und Bremen mit weitreichenden Zeichnungsvollmachten für die von ihnen vertretenen Versicherungsunternehmen ausgestattet sind, für berechtigt angesehen, aus abgetretenem Recht der Versicherungsnehmer erlaubnisfrei gem. Art. 1 § 5 Rechtsberatungsgesetz vorzugehen. Dem ggü. vertritt das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 12.2.2003 - 18 U 265/00 - die Auffassung, die Einziehung von seitens ihrer Versicherungsnehmer abgetretener Schadensersatzforderungen sei wegen Verstosses gegen das ...