Entscheidungsstichwort (Thema)
Sparkling Tea
Leitsatz (amtlich)
1. Die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs sind als sachverständige Beschreibung von Merkmalen verkehrsfähiger Lebensmittel nicht zwangsläufig zuverlässige Abbilder des aktuellen Verbraucherverständnisses.
2. Der Produktnamensbestandteil "Tea" und der Werbeslogan "Der Tee mit Zisch" für ein mit Tee-Extrakt hergestelltes, in Flaschen abgefülltes kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk erwecken für sich genommen noch nicht den irreführenden Eindruck, es handele sich um ein aus frisch aufgebrühtem Tee bestehendes Produkt.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11, § 5; LFGB §§ 11, 15; Richtlinie 2000/13/EG Art. 2
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen 31 O 565/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 5.5.2011 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist einer der führenden deutschen Anbieter von Tee und Teeprodukten. Die Beklagte vertreibt Erfrischungsgetränke; seit Mai 2010 bringt sie ein "Sparkling Tea" genanntes neues Produkt auf den Markt, das aus je nach Sorte variierenden Tee-Extrakten, kohlensäurehaltigem Wasser, Aromen und weiteren Bestandteilen besteht. Hinsichtlich der Aufmachung wird auf die Abbildung in der Klageschrift (S. 3) Bezug genommen. Sie warb dafür im konzerneigenen Mitteilungsblatt (Anlage K 1, S. 5) und in Lebensmittel-Fachzeitschriften (Anlage K 2) mit dem Slogan "Der Tee mit Zzischh". Die Klägerin macht geltend, die Beklagte erwecke mit der konkreten Produktaufmachung und Werbung den unzutreffenden Eindruck, ihre Getränkeserie basiere nicht nur auf Tee-Extrakten, sondern auf aufgebrühtem Tee im Sinne der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches.
Auf ihren Antrag hat das LG die Beklagte nach vorauslaufender einstweiliger Verfügung - 31 O 239/10 - verurteilt, den Vertrieb und die Bewerbung des Produktes in der vorbezeichneten Aufmachung sowie die Werbung in vorbezeichneter Form zu unterlassen, Auskunft zu erteilen sowie die Abmahnkosten der Klägerin zu erstatten. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin das angefochtene Urteil verteidigt. Die Parteien vertiefen schriftsätzlich ihre widerstreitenden Standpunkte.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Unter Würdigung aller Umstände des Streitfalles vermag der Senat eine der Beklagten nach §§ 3, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG zu untersagende Irreführung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB oder § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 3 UWG nicht festzustellen; auch der geltend gemachte Auskunfts- und Kostenerstattungsanspruch der Klägerin besteht nicht.
1. Es kann mangels praktischer Auswirkungen dahingestellt bleiben, ob der lebensmittelrechtliche Irreführungstatbestand als Spezialregelung Vorrang beansprucht (so OLG Köln, Urt. v. 18.1.2008 - 6 U 144/07 = MD 2008, 288 - Fruit2day; Meyer/Streinz, LFGB, § 11 Rz. 15; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rz. 23) oder das allgemeine lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot daneben anwendbar bleibt (so Wehlau, LFGB, § 11 Rz. 166; Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rz. 1.45, 1.73). Denn im Bereich der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.3.2000, wonach die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln und die Werbung hierfür nicht geeignet sein dürfen, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über Eigenschaften wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart (Art. 2 Abs. 1 lit. a Nr. i, Abs. 3 Nr. a und b), sind beide Tatbestände übereinstimmend richtlinienkonform auszulegen.
2. Der danach an die Verkehrserwartung anzulegende Maßstab ist der des Durchschnittsverbrauchers, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren in der Auslegung der Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken; Wehlau, a.a.O., Rz. 23 ff.; Meyer/Streinz, a.a.O., § 11 Rz. 29; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rz. 1.46 ff. m.w.N.). Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat auf Grund seiner Erfahrung in Wettbewerbssachen und wegen der Zugehörigkeit seiner Mitglieder zu den angesprochenen Verbrauchern selbst feststellen.
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht hat sich die Beurteilung nicht etwa in erster Linie am Deutschen Lebensmittelbuch (§ 15 LFGB) - hier den Leitsätzen für Tee, teeähnliche Erzeugnisse, deren Extrakte un...