Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer sog. "Strukturkündigung" (Vertragswerkstattvertrag)

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Vorrausetzungen, unter denen nach einer Art. 3 Abs. 5 lit. b) ii. der EG-Gruppenfreistellungsverordnung (EGV 1400/2002) entsprechenden vertraglichen Regelung ausnahmsweise aufgrund der Notwendigkeit, das Vertriebsnetz umzustrukturieren, eine Beendigung eines grundsätzlich einer Kündigungsfrist von zwei Jahren unterliegenden Vertragswerkstattvertrag zwischen Kfz-Herstellern bzw. -lieferanten und Vertragswerkstattbetreibern mit einjähriger Kündigungsfrist möglich ist.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 07.02.2008; Aktenzeichen 86 O 58/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.10.2010; Aktenzeichen VIII ZR 13/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.2.2008 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln -86 O 58/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung eines Vertragswerkstattvertrages sowie um die im Wege der Feststellungsklage geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des dem Kläger infolge der Kündigung entstandenen Schadens. Die Entscheidung des LG zur Widerklage, wonach der Vertragswerkstattvertrages -jedenfalls- zum 31.1.2008 endete, wird von dem Kläger mit der Berufung nicht mehr angegriffen.

Der Kläger betreibt ein Autohaus in F. Bis zum 30.9.2004 war er autorisierter Vertragshändler der Beklagten. Nach Beendigung des Händlervertrages schloss der Kläger am 05./12.9.2005 mit der Beklagten einen O-Vertragswerkstattvertrag zum 1.10.2005 (Anlage K 1). Nach Abschluss des Vertragswerkstattvertrages tätigte der Kläger Investitionen i.H.v. 25.909 EUR netto.

Mit Schreiben vom 11.1.2006 kündigte die Beklagte unter Hinweis auf Artikel XVI Ziff. 1. 2. Absatz b) des Vertrages den Vertragswerkstattvertrag "zum nächst möglichen Zeitpunkt". Dies sei wegen der notwendigen Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes der 31.1.2007. Wegen des Inhalts des Kündigungsschreibens im Einzelnen wird auf die Anlage K3 (Bl. 21 f. GA) verwiesen. In Artikel XVI heißt es:

"Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendermonats per Einschreiben/Rückschein gekündigt werden. Eine von O ausgesprochene Kündigung muss eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist, und darf nicht auf Verhaltensweisen der Vertragswerkstatt gestützt werden, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 nicht eingeschränkt werden dürfen. Die Verordnung ist als Anlage XI diesem Vertrag angefügt. Darüber hinaus gelten, insbesondere bezüglich der Kündigung, die Regelungen des nationalen Rechts.

Abweichend davon ist es O gestattet, diesen Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu beenden, unter der Voraussetzung, dass

a) O auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung oder einer individuellen Vereinbarung ggü. der Vertragswerkstatt zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet ist oder

b) sich für O die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren."

Mit Schreiben vom 23.1.2007 widersprach der Kläger der Kündigung. Seit dem 22./26.3.2007 hat die Beklagte dem Kläger den Zugang zum "O Alliance Net" gesperrt, soweit es nicht die Abwicklung von Garantieansprüchen von Kunden betrifft. Durch das Sperren des EDV-Zugangs konnte der Kläger Ersatzteile nur im Wege der Eilorder -per Fax oder Telefon- bei der Beklagten bestellen, was u.a. einen Verlust von Margen zwischen 5 % und 15 % zur Folge hatte. Mit Schreiben vom 5.12.2007 bewarb sich der Kläger um einen Anschluss-Servicevertrag (Bl. 183 GA).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei bereits aus formellen Erwägungen unwirksam, weil sie gerade für den Vertragswerkstattbereich dem vertraglichen Begründungserfordernis nicht genüge. Aber auch aus materiellen Gründen sei die Kündigung mit Jahresfrist unwirksam, da die Voraussetzungen einer Strukturkündigung mit Jahresfrist nicht gegeben seien. Die Beklagte sei daher auch verpflichtet, ihm den durch die seit März 2007 nur noch eingeschränkte Belieferung und Betreuung seitens der Beklagten entstandenen Schaden zu ersetzen.

Der Kläger hat mit ihrer Klage begehrt festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 11.1.2006 ausgesprochene Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden O-Servicepartnervertrages vom 05./12.9.2005 unwirksam ist und das Vertragsverhältnis über den 31.1.2007 hinaus fortgesetzt wird und die Beklagte verpflichtet ist, den Servicevertrag fortzuführen, insbesondere den Kläger mit O...

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