Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer sog. "Strukturkündigung" (Vertragshändlervertrag)

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Vorrausetzungen, unter denen nach einer Art. 3 Abs. 5 lit. b) ii. der EG-Gruppenfreistellungsverordnung (EGV 1400/2002) entsprechenden vertraglichen Regelung ausnahmsweise aufgrund der Notwendigkeit, das Vertriebsnetz umzustrukturieren, eine Beendigung eines grundsätzlich einer Kündigungsfrist von zwei Jahren unterliegenden Vertriebsvertrags zwischen Kfz-Herstellern bzw. -lieferanten und Vertragshändlern mit einjähriger Kündigungsfrist möglich ist.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 07.02.2008; Aktenzeichen 86 O 39/07)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.2.2008 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 86 O 39/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, vormals Vertragshändlerin der Beklagten aufgrund eines am 24.02./10.3.2004 geschlossenen Vertragshändlervertrages, macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit einer Netzstrukturkündigung geltend. In dem auf unbegrenzte Dauer geschlossenen Vertrag heißt es in Artikel XVII (Anlage K 1, Bl. 25 ff., 45 GA):

"Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendermonats per Einschreiben/Rückschein gekündigt werden. Eine von O ausgesprochene Kündigung muss eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist, und darf nicht auf Verhaltensweisen der Vertragswerkstatt gestützt werden, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 nicht eingeschränkt werden dürfen. Die Verordnung ist als Anlage XI diesem Vertrag angefügt. Darüber hinaus gelten, insbesondere bezüglich der Kündigung, die Regelungen des nationalen Rechts.

Abweichend hiervon ist es O gestattet, diesen Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu beenden, unter der Voraussetzung, dass

a) O auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung oder einer individuellen Vereinbarung ggü. dem Vertragshändler zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet ist oder

b) sich für O die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren."

Unter dem 7.7.2004 (Anlage K 3, Bl. 55 f. GA) erteilte die Beklagte der Klägerin eine sog. "Strukturkostenzusage", mit der sie sich anlässlich der Eröffnung des Betriebs der Klägerin in T an den entstehenden Kosten beteiligen wollte, und zwar durch Zahlung von 300 EUR je Neuwagenzulassung, maximal 21.000 EUR im ersten, 250 EUR je Neuwagenzulassung, maximal 21.250 EUR im zweiten und 150 EUR je Neuwagenzulassung, maximal 15.000 EUR im dritten Vertragsjahr. Im Mai 2005 erwarb die Klägerin von der Beklagten eine Außensignalisation. Die ihr hierdurch entstandenen Kosten, die erstinstanzlich streitig waren, sind nicht mehr Gegenstand des Verfahren in der Berufungsinstanz.

Mit Schreiben vom 11.1.2006 erklärte die Beklagte im Rahmen mit einer Vertragshändler- und Vertragswerkstattverträge betreffenden Netzkündigung ggü. der Klägerin, sie kündige das Vertragsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt, was unter Berücksichtigung von Art. XVII Ziff. 1b) des Vertrages der 31.1.2007 sei. Wegen des Inhaltes des Kündigungsschreibens im Einzelnen wird auf die Anlage K 2 (Bl. 53 f. GA), verwiesen. Die Beklagte stellte die Belieferung der Klägerin mit Neufahrzeugen zum 31.1.2007 ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte im Hinblick auf die erteilte Strukturkostenzusage Zahlungen für das dritte Vertragsjahr i.H.v. 11.850 EUR erbracht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus formalen und materiellen Gründen unwirksam und hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie im Hinblick auf Kosten der Außensignalisation sowie die Strukturkostenzusage 10.050,61 EUR zzgl. Zinsen und Kosten zu zahlen, darüber hinaus festzustellen, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Rücknahme der Außensignalisation in Annahmeverzug befinde, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorzeitige Vertragsbeendigung seit dem 31.1.2007 bis zum 31.1.2008 wegen der von der Beklagten mit Schreiben vom 11.1.2006 ausgesprochenen Kündigung des Vertragshändlervertrages entsteht, sowie im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 11.1.2006 erklärte Kündigung mit Wirkung zum 31.1.2007 unwirksam sei.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Wirksamkeit der Strukturkündigung geltend gemacht. Sie hat behauptet, aus einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie habe sich ergeben, dass es zu viele klein...

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