Tenor
Der Beitritt der Streithelferin zu 1. auf Seiten der Klägerin wird zugelassen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.06.2023 - 1 O 221/22 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 85.644.300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 28.05.2020 im Annahmeverzug befindet mit der Annahme von 14.660.000 FFP2-Masken und 10.000.000 OP-Masken, die der folgenden Leistungsbeschreibung gemäß Ziff. 3.1 und Ziff. 4.1 des Vertrags über die Lieferung von Schutzausrüstung der Parteien vom 07/09.04.2020 zu entsprechen haben.
((Abbildungen))
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz, des Zwischenstreits sowie die Kosten der Streithelfer zu 1. und 2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche der Klägerin aus einem mit der Beklagten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie im Wege des sogenannten Open-House-Verfahrens abgeschlossenen Vertrages über die Lieferung von Schutzmasken.
Die Beklagte führte während der Corona-Pandemie im März und April 2020 ein sog. Open-House-Verfahren zur kurzfristigen Beschaffung von FFP2-Masken, OP-Masken und Schutzkitteln durch. Das Open-House-Verfahren ist dadurch geprägt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zum Zwecke der Güterbeschaffung Rahmenvertragsvereinbarungen veröffentlicht, zu deren Bedingungen jeder interessierte Lieferant ein vorformuliertes Angebot abgeben kann, das dann per Zuschlag angenommen wird, ohne dass eine Auswahlentscheidung getroffen wird. Da in der Konsequenz sämtliche Angebote angenommen werden, findet kein Wettbewerb zwischen den Teilnehmern statt. Das Verfahren unterfällt daher keinen vergaberechtlichen Vorschriften. Weitere Konsequenz ist, dass das Auftragsvolumen nicht klar vorhersehbar ist.
Am 27.03.2020 veröffentlichte die Beklagte die Auftragsbekanntmachung (Anlage DLA 1 und 2), welche folgenden Passus (Anlage DLA 2) enthalten hat:
"Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 30.4.2020. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.4.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der Z. V. C.. KG, R.-straße 7 in N01 J., ist."
Die Frist zur Einreichung der Angebote wurde nachträglich von der Beklagten auf den 08.04.2020 verkürzt (Anlage DLA 3). Über den Link in der Auftragsbekanntmachung abrufbar waren u.a. das Angebotsformular, die Teilnahmebedingungen, das Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung und die Leistungsbeschreibung. In der Leistungsbeschreibung war ein Preis pro FFP2-Maske in Höhe von 4,50 Euro netto und pro OP-Maske von 0,60 Euro netto vorgesehen. Das Vertragsformular lautete auszugweise wie folgt:
"§ 2 Vertragsbestandteile
2.1. Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses:
a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen (...)
§ 3 Leistung/Lieferung (...)
3.2 Die Lieferung der Produkte hat an die Z. V. C.. KG, R.-straße 7 in N01 J., während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; die üblichen Geschäftszeiten sind von dem AN bei der Z. V. C.. KG zu erfragen. Die Lieferung ist der Z. V. C.. KG in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).
§ 5 Zahlung
5.1 Der AG zahlt die vereinbarte Vergütung bargeldlos binnen einer Woche nach erfolgter Lieferung und Eingang einer den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechenden Rechnung bei der Z. V. C.. KG, R.-straße Str. 7 in N01 J., auf das von dem AN angegebene Konto.
5.2 Jede Zahlung erfolgt unter dem Vorbehalt des Anspruchs auf Rückerstattung wegen nicht oder mangelhaft erbrachter Leistungen (...)
§ 6 Mängelansprüche
6.1. Für Sach- und Rechtsmängel gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nicht nachfolgend etwas anders bestimmt ist.
§ 7 Laufzeit des Vertrages/sonstige Vereinbarungen
7.1 Der Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung des AG auf das im Open-House-Verfahren abgegebene Angebot des AN in Kraft und endet mit Ablauf des 30.04.2020. Die durch eine innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgte Lieferung begründeten Rechte und Pflichten des AG und d...