Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird das am 12.07.2023 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Bonn (20 O 49/22) teilweise abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 1.021.142,95 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.09.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Klageantrag zu 2) in Höhe von 165,06 EUR erledigt hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Beklagten zu 1) wird als unzulässig verworfen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 88% und die Beklagte zu 1) zu 12%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese selbst zu 88% und die Beklagte zu 1) zu 12%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst zu 16% und die Klägerin zu 84%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) mit Ausnahme der durch deren Streithilfe entstandenen Kosten trägt die Klägerin vollständig. Die durch die Streithilfe der Beklagten zu 2) entstandenen Kosten trägt die Klägerin zu 84% und die Beklagte zu 2) diese selbst zu 16%.
IV. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.265.716,98 EUR festgesetzt (Berufung der Klägerin: 7.272.360,73 EUR; Berufung der Beklagten zu 1): 993.356,25 EUR). Der Gegenstandswert für die Streithilfe durch die Beklagte zu 2) wird auf 5.099.428,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Rückzahlung von geleisteten Kaufpreiszahlungen für im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gelieferte Schutzmasken unter den Gesichtspunkten der Mangelhaftigkeit eines Teils der Masken und der versehentlichen Überzahlung in Anspruch. Die Beklagten verteidigen sich mit Gegenforderungen und treten der Mängelrüge entgegen.
Die Klägerin und die Beklagte zu 1) sind durch einen sog. Open-House-Vertrag über die Lieferung von Atemschutzmasken miteinander verbunden. Die Beklagte zu 2) war Lieferantin der Beklagten zu 1) hinsichtlich dieser Masken und war auch für die Fa. F. Y. GmbH (im Folgenden auch nur: Fa. F.) in dieser Eigenschaft tätig.
Ein Open-House-Verfahren ist dadurch geprägt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zum Zwecke der Güterbeschaffung Rahmenvertragsvereinbarungen veröffentlicht, zu deren Bedingungen jeder interessierte Lieferant ein vorformuliertes Angebot abgeben kann, das dann per Zuschlag angenommen wird, ohne dass eine Auswahlentscheidung getroffen wird. Da in der Konsequenz sämtliche Angebote angenommen werden, findet kein Wettbewerb zwischen den Teilnehmern statt. Das Verfahren unterfällt daher keinen vergaberechtlichen Vorschriften. Weitere Konsequenz ist, dass das Auftragsvolumen nicht immer klar vorhersehbar ist.
Anlass für das hier in Rede stehende Open-House-Verfahren war der Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundene große Bedarf an medizinischer Schutzausrüstung für Personen (PSA), insbesondere in Form von Atemschutzmasken.
Unter dem 27.03.2020 erfolgte durch die Klägerin eine Auftragsbekanntmachung über einen Lieferauftrag für Schutz- und Sicherheitskleidung, und zwar "FFP2 Masken, OP-Masken und Schutzkittel" (Anlage K4, Bl. 58 ff. GA). Darin ist u.a. folgendes festgehalten:
"Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 30.4.2020. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.4.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der T. R. L. & Co. KG, V. Str. N01, N02 Z., ist."
Nachträglich verkürzte die Klägerin das Ende der Ablaufzeit zur Einreichung von Angeboten auf den 08.04.2020 (Bl. 64 GA).
Die Beklagte zu 1) reichte unter dem 08.04.2020 ein Angebot über die Lieferung von 1.800.000 "FFP2-Masken" mittels des klägerseits vorgefertigten Vertragstextes ein (Anlage K3, Bl. 52 ff. GA), welches die Klägerin annahm. Der Vertragstext enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 2 Vertragsbestandteile
2.1. Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses:
a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen (...)
§ 3 Leistung/Lieferung (...)
3.2 Die Lieferung der Produkte hat an die T. R. L. & Co. KG, V. Str. N01, N02 Z., während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; die üblichen Geschäftszeiten sind von dem AN bei der T. R. L. & Co. KG zu erfragen. Die Lieferung ist der T. R. L. & Co. KG in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermi...