Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Aufklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung (hier: Hinweis über die Abrechnung stationärer Behandlungskosten nach DRG-Fallpauschalen statt tagesgleichen Pflegesätzen) folgt den üblichen Beweisregeln, nicht denen der Selbstbestimmungsaufklärung.

Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (oder eine entsprechende Beweislastumkehr) findet nicht statt, wenn mehrere gleichwertige Verhaltensalternativen bestehen, weil dann nach der Lebenserfahrung nicht erwartet werden kann, dass sich der Gläubiger regelmäßig entsprechend dem erteilten Hinweis verhalten hätte (hier eine kostengünstigere Behandlung gewählt hätte).

 

Normenkette

BGB §§ 249, 280, 611

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 25.04.2007; Aktenzeichen 25 O 382/06)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25.4.2007 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Köln - 25 O 382/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von dem Beklagten aus dem geschlossenen Behandlungsvertrag die Zahlung der Kosten von 7.403,16 EUR verlangen, die für die stationäre Behandlung der Ehefrau des Beklagten vom 30.3. bis 8.4.2003 im Klinikum der Klägerin bisher noch nicht beglichen worden sind. Der Beklagte hat seine am 25.6.2004 verstorbene Ehefrau allein beerbt (§ 1922 Abs. 1 BGB).

1. Die Klägerin und die Ehefrau des Beklagten haben eine Abrechnung der stationären Behandlung nach DRG-Fallpauschalen vereinbart. Eines Rückgriffs auf die taxmäßige oder übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB), den das LG vorgenommen hat, bedarf es daher nicht. Im Aufnahmeantrag der Ehefrau des Beklagten vom 30.3.2003 (Anlage HWN 1, Bl. 8 d.A.), den die Klägerin angenommen hat, heißt es, dass "alle durch die Behandlung nach den jeweils geltenden Tarifen entstehenden Kosten von mir getragen werden." Der für eine stationäre Behandlung im Klinikum der Klägerin geltende Tarif war, nachdem diese per 1.3.2003 für eine Umstellung optiert hatte, die Abrechnung nach DRG-Fallpauschalen.

Aus den im März 2003 noch verwendeten Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Klägerin, Stand 1.2.2001 (Anlage HWHN 11, Anlagenband) würde sich selbst dann nichts anderes ergeben, wenn diese in vollem Umfang Vertragsbestandteil geworden sein sollten. Der Beklagte behauptet allerdings, dass seiner Ehefrau lediglich ein Auszug aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen für ambulante Patienten (Anlage 4, Bl. 47 ff. d.A.) überreicht worden sei. In diesem Auszug ist die Bestimmung des § 9 AVB über das zu entrichtende Entgelt schon nicht abgedruckt. Nach § 9 der Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Klägerin, Stand 1.2.2001, richtet sich das Entgelt für die Leistungen des Krankenhauses nach dem Pflegekostentarif in der jeweils gültigen Fassung. Nimmt man die allgemein gefasste Bestimmung des Aufnahmeantrags ("jeweils gültiger Tarif") hinzu, liegt der Sinn des § 9 AVB aus der maßgeblichen Sicht des Patienten in einer dynamischen Verweisung auf die für das Krankenhaus aktuell gültige Vergütungsregelung. Ob diese als "Pflegekostentarif" benannt ist oder aufgrund von Veränderungen im Gesundheitswesen einen andere Bezeichnung trägt, ist demgegenüber von nachrangiger Bedeutung.

Soweit die Bundespflegesatzverordnung in der von der Ehefrau des Beklagten geschlossenen Wahlleistungsvereinbarung angeführt worden ist, betraf dies - was der Beklagte in der Berufungsbegründung nicht beachtet - nicht die gesondert geschuldete Vergütung der allgemeinen Leistungen des Krankenhauses.

2. Einen Schadensersatzanspruch wegen einer Aufklärungspflichtverletzung kann der Beklagte dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen setzen.

a) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin gem. § 8 Abs. 8 KHEntG oder aufgrund einer im Einzelfall bestehenden vorvertraglichen Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung gehalten gewesen wäre, die Ehefrau des Beklagten über die Abrechnung des stationären Aufenthaltes nach DRG-Fallpauschalen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zu unterrichten.

Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass seine Ehefrau im Falle einer Aufklärung über die Art der Abrechnung und die Höhe der Kosten von einer Operation im Klinikum der Klägerin Abstand genommen und sich stattdessen in einem Krankenhaus hätte operieren lassen, das im Jahr 2003 noch nach der Bundespflegesatzverordnung abrechnete.

Anders als der Beklagte meint, obliegt ihm insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung folgt den üblichen Beweisregeln und nicht denen der Selbstbestimmungsaufklärung (vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht 3. Aufl. Rz. 166). Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden stellt eine von mehreren ansp...

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